Definition:
Der Begriff Heidentum ist religiös konnotiert und bezeichnet aus christlicher Perspektive
zunächst alle nicht christlichen Religionen, vornehmlich polytheistische. Für diese
Abgrenzung zu monotheistischen Religionen findet oftmals auch das Wort Paganismus
Verwendung. Menschen die dem Heidentum angehören, werden als Heid*innen bezeichnet.
Etymologie:
Die Herkunft des Begriffes ist uneindeutig. Es ist jedoch annehmbar, dass sich der Ursprung
im griechischen Wort τα ἔθνη (die Völker) verorten lässt, welches ursprünglich für
Nichtjuden verwendet und mit großer Wahrscheinlichkeit vom Christentum übernommen
wurde. Die lateinischen Begriffe gentilis (Stamm, Volk) und pagani (Landbewohner)
sind Übersetzungen des griechischen Begriffes. Dieser ist zudem durch das Wort haiþno
(Feld, Acker) ins Gotische entlehnt worden, sodass schließlich die Althochdeutsche Form
heidan, von welcher sich der Begriff Heidentum ableiten lässt, entstanden ist.
Wissenschaftlicher Kontext:
Die ursprüngliche Verwendung der Bezeichnung Heidentum war zunächst nicht pejorativ
gemeint. Diese wurde schon in der Bibel verwendet, in welcher dadurch hauptsächlich
zwischen Juden- und Heidenchristen unterschieden wird. Vorerst bezog sich die Bezeichnung
überwiegend auf den römischen sowie griechischen Polytheismus. Nach der
konstantinischen Wende gab es große Bestrebungen das Heidentum sowie auch seine
Bräuche zu unterdrücken. Zunehmende Missionierungsbestrebungen im achten und neunten
Jahrhundert führten zu einer zunehmend abwertenden Akzentuierung der Bezeichnung und
richteten sich im Zuge dessen auch an das germanische, slawische oder indianische?
Heidentum. Zweck der Missionierungen war es, anders- und nichtgläubige Menschen zum
Christentum zu bekehren. Aus christlicher Perspektive grenzte sich das Heidentum zum
einen formal aufgrund einer fehlenden Taufe und zum anderen inhaltlich zwecks fehlender
Glaubenskenntnisse ab. Dem Heidentum wurden Irrtum und Aberglaube, aber oftmals auch
ein barbarischer Charakter zugeschrieben.
Dies implementiert eine Distinktion zwischen dem Christen- und Heidentum. Letzteres
wurde aus christlicher Perspektive nicht zuletzt als irrtümlich angesehen. Die Diversität
polytheistischer Religionen wurde durch die christliche Perspektive weitergehend
missachtet, sodass nahezu alle nicht monotheistischen Religionen durch den Heidenbegriff
gekennzeichnet wurden.
Im Zuge des Kolonialismus wurde der mittelalterliche Gedanke wieder aufgenommen. Es
herrschte die Vorstellung, den kolonisierten Nationen den christlichen Glauben als „wahre
Religion“ zu bringen und sie von den heidnischen, „primitiven" Anschauungen „zu
befreien“.
Dem meist negativen Gebrauch des Wortes Heidentum, steht die Verwendung Neuheidentum/Neupaganismus entgegen. Gemeint ist eine Gruppe, deren Anhänger sich oftmals selbst als heidnisch bezeichnen, um sich gezielt von den Weltreligionen abgrenzen und ihren Glauben an die Natur verdeutlichen zu können.
Empfehlung für den gegenwärtigen Sprachgebrauch:
Die moderne Forschung umgeht die Anwendung des Heidenbegriffes zunehmend und betont
die Vielfalt nicht rein monotheistischer Religionen. Zudem findet der Begriff heutzutage
kaum noch Verwendung im normalen Sprachgebrauch. Dies spiegelt auch die vorliegende
Empfehlung für den gegenwärtigen Sprachgebrauch wider. Schließlich wurde der Begriff in
der Vergangenheit aufgrund verschiedener Faktoren negativ akzentuiert. Der Begriff bedient
sich an einer Distinktion zwischen dem Christentum und nicht christlicher Religionen, bei
dem das Prinzip des Othering deutlich wird. Die „Anderen“, in dem Fall polytheistische
Religionen, werden durch Selbst- und Fremdbezeichnungen, bewusst abgewertet. Es handelt
sich um eine Fremdbezeichnung aus europäisch zentrierter Perspektive, die sich an
zahlreichen Stereotypen bedient sowie diskriminierend ist, wodurch die Verwendung des
Begriffes in der heutigen Zeit nicht mehr angemessen ist. Besser ist es, die Vielfalt einzelner
Religionen zu sehen und diese auch individuell beim Namen zu nennen.
Weiterführend:
- Geulen, Christian: Geschichte des Rassismus, 2021, S.27–33.
- Goetz, Hans-Werner: Die Wahrnehmung anderer Religionen und christlichabendländisches
Selbstverständnis im frühen und hohen Mittelalter (5.-12. Jahrhundert),
2013, S.31–226.
- https://www.politische-bildung-brandenburg.de/lexikon/neuheidentum-neopaganismus
(zuletzt aufgerufen am 14.07.2021)