Volk

Definition


Der Begriff ‚Volk‘ bezeichnet einerseits eine größere Gruppe von Menschen, die sich hinsichtlich ihrer Abstammung, Kultur oder Sprache ähneln (gr.: 'ethos'). Die eigenständige Zuordnung zu einer solchen Gruppe erfolgt bewusst; ein subjektives Zusammengehörigkeitsgefühl ist dafür notwendig. Andererseits wird unter dem Begriff ‚Volk‘ die Gesamtheit der Staatsbürger*innen eines Landes zusammengefasst (gr.: 'demos'); eine politische Dimension ist dem Begriff inhärent. Gleichzeitig fungiert der Begriff innerhalb dieses Verständnisses als Kollektivbegriff für die breite Masse der (vermeintlich einfachen) Bevölkerung im Gegensatz zu einer vermeintlichen elitären Schicht.

Einordnung


Der Begriff ‚Volk‘ stammt direkt von dem althochdeutschen Wort ‚folc‘, m. (8. Jahrhundert), welches eine Völkerschaft, eine Volksmenge oder -haufen, ein (en) Heer (-haufen) sowie die breite Masse beschreibt, ab. Hierbei kann von der germanischen Wurzel *fulka- (Kriegerschar, Heerhaufen im Sinne einer Menge von waffenfähigen Männern zur Repräsentation der Gemeinschaft) ausgegangen werden, welche sich aus dem indoeuropäischen Wortstämmen pḷgo- (Fülle, Menge) und *pel(ə)-, *plē- (aufschütten, (ein)füllen) ergibt. Aus dem althochdeutschen ‚folc‘ entwickelten sich mittelhochdeutsche (volcn.), angelsächsische (folk, n.), mittelniederländische (volc) und mittelniederdeutsche (volk) Begriffe, woraus der heutige Begriff entstand. Auch eine Sprachverwandtschaft mit dem lateinischen Wort ‚plebs‘ als Variation von ‚plere‘ (füllen) ist möglich. Im Englischen gibt es das Wort ‚folk‘, welches zumeist in seiner Pluralform ‚folks‘ im Sinne von ‚Leute‘ gebraucht wird.

Der Ursprung des Begriffs ‚Volk‘ trug somit eine militärische oder kriegerisch-wehrhafte Konnotation. In der heutigen Verwendung wird der Volksbegriff überwiegend hinsichtlich (gedachter/gefühlter) Gemeinschaften genutzt: Zum Einen wird durch den Begriff die Gemeinschaft von sich durch Kultur, Sprache oder Abstammung zusammen gehörig fühlenden Menschen bezeichnet (gr.: 'ethos'). Dies beinhaltet eine emotional-subjektive Komponente der Eingebundenheit in diese Gemeinschaft, die nicht durch äußere Faktoren entstanden ist. Das ‚Volk‘ steht in dieser Verwendung nicht im Zusammenhang mit einem Nationalstaat. Heute ist allerdings der Begriff der Ethnie gebräuchlicher.

Andererseits wird der Volksbegriff auch für die Gesamtheit der Bevölkerung eines Nationalstaats genutzt (gr.: 'demos'). Im Gegensatz zu Ethnien sind Völker im Sinne von Nationalstaaten nicht natürlich, sondern im Laufe der Geschichte, meist durch Gewalt und äußeren Druck, entstanden. Somit handelt es sich bei dieser Verwendungsweise von ‚Volk‘ nicht um eine durch natürliche Nähe verbundene Gruppe, sondern um eine künstlich erschaffene. In den letzten Jahren fand zudem eine deutliche Politisierung des Begriffs statt: Während es beim ‚Volk‘ im Sinne des 'ethos' vorwiegend um die Mitglieder der jeweiligen Gruppe geht, steht beim 'demos'-Begriff insbesondere die Abgrenzung zu anderen Menschen oder anderen Gruppen im Mittelpunkt. Dadurch erlangte der Volksbegriff zuweilen eine gewisse Prominenz in populistischen und nationalistischen Kontexten. Weiterhin wird der Begriff ‚Volk‘ häufig für die Abgrenzung des ‚einfachen Volkes‘ gegenüber der vermeintlichen Elite/des Establishments genutzt. Dabei wird das ‚Volk‘ stereotypisch als hart arbeitend, ehrlich, aber minder privilegiert und von den Eliten unterdrückt und ausgenutzt charakterisiert. Auch hier findet eine politische Instrumentalisierung des Begriffs statt. Anders als für das Volk als 'ethos' gibt es ‚das Volk‘ in der politischen Verwendung nur im Singular.

Empfehlung


Für den Begriff ‚Volk‘ im Sinne einer Gemeinschaft auf Basis von Kultur, Sprache oder Abstammung wird im wissenschaftlichen Kontext bereits häufiger der Begriff ‚Ethnie‘ verwendet. Dies wird auch für den nicht-wissenschaftlichen Rahmen empfohlen, da durch diese Bezeichnung eine verstärkte Abgrenzung zum politisch instrumentalisierten Volksbegriff geschaffen wird: ‚Ethnie‘ macht deutlich, dass es sich nicht um ein Kollektiv im Sinne eines Nationalstaats und dessen wahlberechtigter Bevölkerung handelt, sondern um eine subjektiv empfundene Gemeinschaft, die nicht an bestehende Staatsgrenzen gebunden ist. So sind auch verschiedene Ethnien innerhalb eines 'demos' oder eine Erstreckung über Staatsgrenzen hinaus möglich. Diese Abgrenzung verschwimmt bei der übergreifenden Verwendung des Begriffes ‚Volk‘. Zudem wird die Bezeichnung ‚Volk‘ des Öfteren abwertend genutzt, gerade in Bezug auf ethnische Minderheiten. Der Volksbegriff wird hierbei mit im Vergleich zur eigenen Kultur unkultivierten und fremden Kulturgemeinschaften, die außerhalb bestehender Rechtssysteme leben, assoziiert. Durch die Bezeichnung Ethnie kann diese negative Konnotation vermieden werden, weswegen sie vorzugsweise zu nutzen ist. Eine mögliche (sprachliche) Homogenisierung verschiedener Gruppen könnte im wissenschaftlichen/ universitären Kontext durch den Ausdruck 'Communities' vermieden werden (siehe hierzu Ethnie).

In Bezug auf ‚Volk‘ als Kollektivbegriff für die Bevölkerung von Nationalstaaten ist festzustellen, dass sowohl im alltäglichen als auch im politischen Bereich der Begriff ‚Volk‘ nach wie vor genutzt wird: So ist er im Grundgesetz zu finden und wird auf dem Reichstag als Überbegriff für die deutsche Bevölkerung genutzt. Dennoch sollte bei der Verwendung des Begriffs bedacht werden, dass ‚Volk‘ besonders im populistischen und nationalistischen Kontext eine starke Instrumentalisierung erfahren hat. Durch diese Bezeichnung entsteht der Eindruck einer hinsichtlich ihrer Kultur homogenen Bevölkerung, deren Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit durch Staatsgrenzen klar definiert ist. Dies schließt einige Teile der Bevölkerung von der Teilhabe aus, beispielsweise durch Zuwanderung in Staaten lebende Menschen, die lediglich einen Aufenthaltsstatus, nicht aber politische Rechte haben.

Zugleich werden kulturelle Unterschiede durch den Kollektivbegriff ‚Volk‘ ausgeschlossen und vereinheitlicht, sodass eine scheinbare Homogenität im Sinne einer Nationalität suggeriert wird. Dies bedingt die Entstehung einer nationalen Identität, die beinahe wie eine künstlich erschaffene Ethnie erscheint, wodurch insbesondere die Abgrenzung zu anderen Nationalstaaten in den Vordergrund gerückt wird. Es geht in weiten Teilen weniger darum, wer Teil dieser Gemeinschaft ist, als vielmehr darum, wer aus dieser ausgeschlossen wird. Somit trägt der Volksbegriff in diesem Sinne einen sehr exklusiven Charakter. Entsprechend ist der Begriff ‚Volk‘ zwar nach wie vor nutzbar, allerdings gibt es Alternativen, die weniger der genannten Nachteile mit sich führen und deswegen insbesondere im wissenschaftlichen Kontext vorzuziehen sind: So bieten sich beispielsweise die Bezeichnungen ‚Bevölkerung‘, ‚Bürgertum‘ oder ‚Einwohner*innen‘ an, wobei auch hier dem Kontext entsprechend entschieden werden sollte.

Referenzen und weiterführende Literatur:

Hoffmann, Lutz: Das 'Volk'. Zur ideologischen Struktur eines unvermeidbaren Begriffs, Zeitschrift für Soziologie 20/3, 1991, 191-208.
Lötzsch, Ronald: Was ist ein Volk und was eine Nation?, UTOPIE kreativ 103/104, 1999, 15-30.
Wildt, Michael: Volk, Volksgemeinschaft, AfD, Hamburg 2017.

Nützliche Links:

Zuletzt geändert am 11.07.2021 19:07 Uhr
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