Oberhaupt

Definition

Ein Oberhaupt ist der ranghöchste oder mächtigste Mensch in einer Gruppe und steht somit als höchste Autoritätsperson an der Spitze einer Gruppe oder Institution.

Beispiele: Dorfoberhaupt, Familienoberhaupt, Kirchenoberhaupt, Revolutionsoberhaupt, Staatsoberhaupt.


Etymologie

Der Begriff Oberhaupt ist eine Wortzusammensetzung aus dem Adjektiv ober- und dem Substantiv Haupt.

Haupt bedeutet so viel wie ‘Kopf, wer an der Spitze steht, Führer, Leiter’. Die ursprünglich germanische Form haubiþa- entstammt dem aus dem 8. Jh. althochdeutschem Wort houbit ‘Kopf, Haupt’. Für Haupt ist daher eine Ausgangsbedeutung von ‘Schalenförmiges, Gefäß’ anzunehmen, so dass eine ähnliche Bedeutungsentwicklung vorliegt wie bei Kopf und bei dem fanzösischem tête ‘Kopf’ (aus dem lateinischen testa ‘Gefäß, Schale, Scherbe’). Bis zum 15. Jh. ist Haupt das einzige Wort für ‘Kopf’; es wird allgemein seit dem 16. Jh. durch Kopf verdrängt, bleibt aber als gehobener Ausdruck bis heute geläufig. Der Begriff Häuptling kommt aus dem 17. Jh. und bedeutet ursprünglich ‘Familienoberhaupt, Anführer’. Er wird seit Coopers Erzählungen über den Wilden Westen um 1825 als ‘Stammesoberhaupt eines Naturvolkes’ verstanden.

Das Adjektiv ober bedeutet so viel wie ‘oben befindlich, höher gelegen, auf höherer Stufe stehend, übergeordnet’, aus dem althochdeutschen obaro (8. Jh.).


Wissenschaftlicher Kontext

Ein Oberhaupt ist im Allgemeinen das mächtigste und ranghöchste Mitglied einer Gruppe. Der Begriff wird daher vor allem in sozio-politischen Kontexten häufig verwendet, um den Anführer einer Gemeinschaft, Organisation, Familie, eines Dorfes oder einer Nation deutlich zu machen. Damit kann der Begriff in verschiedenen Zusammenhängen genutzt werden.

So werden beispielsweise in der Berichterstattung zum Thema Clankriminalität die Familienoberhäupter als besondere Machtinstanz hervorgehoben. Oder während eines Wahlkampfes werden die Oberhäupter von Parteien miteinander verglichen. Meist wird jedoch statt dem Begriff Oberhaupt eine explizite Betitelung einer Person verwendet (König, Präsident, Kapitän, Chef, Papst etc.), da diese Titel in den jeweiligen Situationen die Stellung und Befugnisse einer Person oft deutlicher beschreiben können.

Im historischen Kontext ist gerade der Kolonialismus eine interessante Zeit. Im Zuge des Kolonialismus und des Imperialismus wurden außereuropäische Oberhäupter mit europäischen Fremdbezeichnungen betitelt. Dabei wurden grundsätzlich immer Männer und nie Frauen oder Gruppen als Oberhäupter betitelt. Dabei gab es durchaus Strukturen, in denen ein Rat von Ältesten oder Frauen die mächtigste Instanz waren. Hier zeigt sich, dass es für die Kolonialisten schwer vorstellbar war, dass es Gruppen gab, die kein befehlshabendes Oberhaupt hatten oder deren Führung aus einer Gruppe oder aus Frauen bestand. Dabei war z. B. das Oberhaupt des British Empires für eine sehr lange Zeit eine Frau, Queen Victoria.

Ein Oberhaupt muss also nicht immer zwingend nur durch eine einzige Person repräsentiert werden. Es zeigt sich aber, dass eine Gruppe in der Mehrzahl der Fälle durch ein Oberhaupt repräsentiert wird.


Empfehlungen für den gegenwärtigen Sprachgebrauch

Der Begriff Oberhaupt wird heute sehr viel genutzt und kann größtenteils unproblematisch verwendet werden. Er ist relativ neutral, so kann, wenn von einem Staatsoberhaupt gesprochen wird, sowohl ein demokratisch gewählter Präsident als auch ein Diktator, Autokrat oder Monarch gemeint sein. Der Begriff Oberhaupt ermöglicht also all diese Staatsvertreter gleichberechtigt unter einem Begriff zusammenzufassen. Er wird daher gerade in neutralen oder politischen Berichterstattungen häufig verwendet. Ein ähnliches Beispiel wäre das Kirchenoberhaupt. Unter diesem Begriff werden die religiösen Führer aller Konfessionen gleichberechtigt einbezogen.

Der Begriff Oberhaupt eignet sich also sehr gut, um eine Gruppe von Personen mit ähnlichen Berechtigungen und Funktionen zusammenzufassen oder die Funktion einer Person genauer zu erklären, auch wenn für die Positionen jeweils verschiedene Eigenbezeichnungen verwendet werden.

Bsp.: Der Präsident ist das Staatsoberhaupt der USA und die Queen ist das Staatsoberhaupt Großbritanniens.

Der Begriff kann dann als problematisch angesehen werden, wenn er mit einem umstrittenen Präfix verwendet wird. Gerade im Kontext der Kolonialgeschichte wird die Bezeichnung des Stammesoberhauptes kritisch betrachtet. Hier wird empfohlen, von kolonialen Benennungspraktiken abzusehen und stattdessen auf Eigenbezeichnungen zurückzugreifen, um der gesellschaftlichen Komplexität gerecht zu werden. Falls nicht auf Eigenbezeichnungen verwiesen werden kann, ist Oberhaupt jedoch ein neutraler Begriff, der in diesem Kontext durchaus verwendet werden kann (Oberhaupt der/von (Eigenbezeichnung der Gruppe/Gesellschaft einfügen)). Darüber hinaus kann differenziert werden, ob es sich hier z. B. um ein politisches, ein familiäres, ein religiöses, ein geistiges oder kulturelles Oberhaupt handelt. Der Begriff stellt somit eine gute Alternative für den nicht neutralen Begriff Häuptling dar, der im kolonialen Kontext häufig zu finden ist. Der Begriff Oberhaupt eignet sich gegenüber anderen neutralen Begriffen wie Anführer oder Herrscher besonders gut, da er auch ein genderneutraler Begriff ist und somit sowohl Männer als auch Frauen als Oberhaupt der Kolonisierten betitelt werden können.


Literaturempfehlungen

Trotha, Trutz: Koloniale Herrschaft. Zur soziologischen Theorie der Staatsentstehung am Beispiel des "Schutzgebietes Togo". Tübingen, 1994.

https://www.wortbedeutung.info/Oberhaupt/ (14.07.21 10:55).

https://www.dwds.de/wb/Haupt (14.07.21 10:55).

Zuletzt geändert am 14.07.2021 12:28 Uhr
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