Entdeckung

Entdeckung

Definition

Der Begriff Entdeckung bezeichnet im Allgemeinen das Finden von etwas Unbekanntem, was schon vorher existiert hat, und bildet damit den Gegenbegriff zur Erfindung, bei welcher etwas Neues geschaffen wird. Im geographischen Sinn bezeichnet eine Entdeckung den ersten Kontakt mit einem den Entdeckenden zuvor unbekannten Teil der Welt. Hierbei kann es sich sowohl um Landmasse handeln, aber auch um Gewässer, wie beispielsweise den Seeweg nach Indien. Entdeckungen können sowohl unbeabsichtigt als auch durch geplante Reisen und Erkundungen von unbekannten Gebieten erfolgen. In der Neuzeit stehen Entdeckungen in der Regel in einem herrschaftlichen und kolonialen Kontext, der mit der Entdeckung durch Europäer begründet wurde.

Etymologie/Einordnung

Erste Verwendungen des Entdeckungsbegriffs gehen auf Briefe zurück, die um das Jahr 1500 von portugiesischen Forschungsfahrten nach Afrika und Indien berichteten und in denen erst das Verb “descobrir” (entdecken) und wenig später auch das Substantiv “descobrimento” (Entdeckung) das erste Mal nachweislich verwendet wurden. Anlass für solche und spätere Fahrten bildeten kommerzielle Interessen beispielsweise an begehrten Handelsgütern oder Gold, aber auch religiöse wie herrschaftliche Motive. Aus europäischer Sicht wurde und wird auch heute noch häufig das neu erlangte Wissen über die amerikanischen Kontinente im 15. Jahrhundert als “Entdeckung Amerikas” bezeichnet. Mit ihr wird auch eine Zeitenwende vom Mittelalter zur Neuzeit assoziiert. Die ersten Entdecker Amerikas gelangten jedoch vor über 10.000 Jahren über die Beringstraße von Asien auf den nordamerikanischen Kontinent. Auch wenn die Amerikas für die Europäer:innen eine Neuheit darstellten, etablierten Menschen lange Zeit vor der europäischen “Entdeckung” auf beiden Kontinenten Gesellschaftssysteme und Hochkulturen. Dennoch erhoben die Europäer:innen im Zuge ihrer Ankunft einen Machtanspruch auf die beiden Kontinente, den sie durch den christlichen Missionsauftrag legitimierten und sich juristisch untereinander absicherten. Den Begriff Entdeckung begleitet auch das Selbstverständnis der Europäer, die vermeintlich neuen Erdteile nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Ein paritätischer Dialog mit den dort lebenden Menschen fand in der Regel nicht statt. (Zivilisierungsmission) Dabei gingen europäische Entdeckungen einher mit der Zerstörung der aufgebauten Strukturen indigener Bevölkerungen (Volk) bis hin zu Genoziden (z. B. Entdeckung Tasmaniens oder Papua-Neuguineas).

Mit dem Begriff Entdeckung wird oftmals ein geschichtliches Narrativ übernommen, welches ein ohnehin schon auf Europa zentriertes Geschichtsbild fördert. Die Gesellschaften der indigenen Bevölkerungen spielen in diesem nur eine untergeordnete Rolle. Allerdings entspringt die Erzählung der Entdeckung Amerikas nicht nur einer eurozentrischen Perspektive, sie dient auch als Ausgangspunkt für den Deutungsanspruch über die Folgen dieses Ereignisses und schreibt den Entdeckten eine passive Rolle ohne Handlungschance zu. In der immer noch wirkmächtigen kolonialen Erzählung von der Entdeckung durch vermeintlich heldenhafte Persönlichkeiten wie Christopher Columbus wird zudem das Narrativ der terra nullius (Niemandsland) bedient, um die Besitzergreifung dessen rechtmäßig erscheinen zu lassen. Nur im Rahmen der außergewöhnlichen Situation der Entdeckung ließen sich die Unterwerfung, Versklavung und Ausbeutung fremder Menschen nicht nur aus der Sicht der Entdecker, sondern im Anschluss auch durch die übernommene Perspektive der Nachwelt rechtfertigen.

Problematisierung/Sprachgebrauch

Entdeckung ist ein Terminus, der auch heutzutage noch eine breite Verwendung findet und nicht nur auf den geschichtlichen Kontext begrenzt ist. Besonders naturwissenschaftliche und biologische Funde werden oft als Entdeckung tituliert, wobei der Begriff in diesen Kontexten unproblematisch und passend ist. Anders verhält es sich im geographischen/geschichtlichen Kontext. Mit Überschriften wie “Die Entdeckung Amerikas” wird ein stark eurozentrisches Weltbild tradiert, welches Geschichte, Kultur und Strukturen der auf dem amerikanischen Kontinent lebenden Menschen vor der europäischen Ankunft vernachlässigt. Spricht man allerdings von der europäischen Entdeckung Amerikas, relativiert sich die Problematik des Begriffs, da dieser Erdteil den Europäern tatsächlich schlicht unbekannt war. In Forschung und Wissenschaft wird die Problematik des Begriffs im geschichtlichen Kontext durchaus zuweilen thematisiert. Besonders in Schulbüchern werden aber häufig eingängige Überschriften und Bilder im kolonialen Entdeckungskontext verwendet. Eine stärkere inhaltliche Distanz zu den Entdeckenden und eine stärkere Akzentuierung außereuropäischer Geschichte und Kulturen würden dazu beitragen, die Entdeckerromantik zu entkräften und den Begriff Entdeckung inhaltlich zu entladen.

Weiterführende Literatur:

Schütz, Alexander: Die Entdeckung. Ein Grundphänomen der europäischen Geschichte – seine Entstehung und seine Strukturen. In: Archiv für Begriffsgeschichte, Bd. 41, Hamburg 1999, S. 308-309.

Zuletzt geändert am 14.07.2021 15:56 Uhr
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