Antiziganismus

Der Terminus Antiziganismus, welcher in Analogie zum Terminus Antisemitismus gebildet wurde, hat sich in den letzten Jahrzehnten, insbesondere seit den 1970er-Jahren, sowohl in der Forschung als auch im politischen Diskurs ausgebreitet und vermehrt Verwendung gefunden. Der Begriff bezeichnet dabei Vorurteile und Stereotype sowie gesellschaftliche Diskriminierungs- und Verfolgungspraxen, die zumeist Sinti und Roma (m.)/ Sintizze und Romnja (w.) betreffen, aber sich auch gegen andere richten, die als "Zigeuner/ Zigeunerinnen" wahrgenommen werden.

Wesentlich für den Begriff ist dabei eine Vorurteilsstruktur vom stereotypischen "Zigeuner/ Zigeunerin" , die fest im kulturellen Gedächtnis der Mehrheitsgesellschaft verankert und tradiert ist und immer wieder auftritt. Dabei handelt es sich um Klischees und stereotype Vorstellungen, die als Charaktereigenschaften einer Gruppe zugeschrieben werden. Entsprechende Bilder und Zuschreibungen von "Zigeunern/ Zigeunerinnen" werden so durch diese Vorurteilsstruktur in der Gesellschaft weitergetragen.

Da sich der Terminus Antiziganismus auf den problematischen Begriff "Zigeuner/ Zigeunerin" bezieht, welcher somit weiter Verwendung findet, wird in der Forschung teilweise befürchtet, dass der Begriff "Zigeuner/ Zigeunerin" dadurch eine neue Legitimation erhalten könnte sowie ferner mit Ablehnung und Diskriminierung verbunden sei. Eine solche Argumentation spricht sich daher gegen den Terminus Antiziganismus aus und plädiert für Begriffe wie "Rassismus gegen Sinti und Roma", "anti-Romaismus" oder "Romaphobie". Daraus ergibt sich die grundlegende Debatte, welcher Terminus verwendet werden sollte, um Rassismus gegenüber Sinti*zze und Roma*nja zu erfassen.

Für die Verwendung des Begriffs Antiziganismus spricht dahingegen, dass der Terminus explizit die Fremdbezeichnung übernimmt und den Projektionscharakter der Zuschreibungen durch die Mehrheitsgesellschaft in den Fokus stellt. Dieser Projektionscharakter ginge bei Alternativbegriffen hingegen verloren. Ebenso bestehe bei Begriffen, die sich auf die Selbstbezeichnung beziehen, die Gefahr, dass rassistische Vorurteile in Verbindung mit dem tatsächlichen Verhalten und der Lebensweise der Betroffenen gebracht werden könnten. Weiterhin spricht sich auch der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma für den Begriff Antiziganismus aus, da dieser den Rassismus gegenüber Sinti*zze und Roma*nja mit der Begrifflichkeit "Zigeuner/ Zigeunerin" am besten verdeutliche. Letztlich sollte der Terminus Antiziganismus unter stetiger Reflexion und in einem sensiblen Umgang verwendet werden, um Diskriminierung und Rassismus gegen Sinti*zze und Roma*nja zu beschreiben.


Anmerkung: Dieser Eintrag gendert Sinti*zze und Roma*nja mit Sternchen * um die Wichtigkeit einer gendergerechten Sprache im Bezug auf eine zu empfehlende Eigenbezeichnung zu verdeutlichen. "Zigeuner/ Zigeunerin" wird nicht auf diese Weise gegendert, da es sich um zwei seperate diskriminierende Bezeichnungen handelt, denen nicht durch Gendern eine falsche Legitimierung zugesprochen werden soll.

Literaturempfehlungen
BENZ, Wolfgang: Sinti und Roma: Die unerwünschte Minderheit. Über das Vorurteil Antiziganismus, Berlin 2014.
LAUSBERG, Michael: Antiziganismus in Deutschland. Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien, Marburg 2015.

Zuletzt geändert am 13.07.2021 15:32 Uhr
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