Aufstand

Aufstand

Definition

Als Aufstand wird eine häufig gewaltsame Erhebung einer Gruppe gegen die Herrschaftsgewalt bezeichnet, die eine Verbesserung der politischen, rechtlichen oder auch ökonomischen Verhältnisse für diese Gruppe zum Ziel hat. Damit verbunden kann beispielsweise die Unabhängigkeit dieser Gruppe oder der Sturz der Herrschenden sein, wenn diese Herrschaft als illegitim wahrgenommen wird. Im kolonialen Kontext werden also meist die Auflehnungen von bereits Kolonialisierten (Kolonisierte) gegen eine Kolonialmacht als Aufstand bezeichnet.

Einordnung

Ob eine friedliche Erhebung oder gewaltsame Auseinandersetzung dabei als ‘Aufstand’ bezeichnet wird, kommt erheblich auf den Kontext und die dahinter stehende Perspektive an. Der Begriff impliziert ein illegitimes Vorhaben und die Notwendigkeit einer Niederschlagung; der Perspektive der Aufständischen wird hierbei häufig erst an zweiter Stelle Beachtung geschenkt oder sie wird unbeachtet gelassen. So kann die Abkehr von und der Sturz einer Herrschaftsmacht auch als ‘Revolte’ oder ‘Rebellion’ bezeichnet werden und der Versuch, sich gegen Gewalt und Unterdrückung zu wehren, als ‘Widerstand’. Welcher Begriff sich in der Geschichtsschreibung durchsetzt, lässt Rückschlüsse auf die dominierende Perspektive zu.

Dies lässt sich beispielsweise sehr gut am sogenannten “Herero-Aufstand” von 1904 im kolonialen Namibia erkennen: Handelte es sich zunächst um eine Erhebung der Ovaherero gegen den stetigen Verlust von Rechten und Weideland, eskalierte die deutsche “Schutztruppe” diesen Konflikt erst zu einem Kolonialkrieg und anschließend zu einem Genozid. Aus heutiger Perspektive wird daher eher vom Krieg gegen oder auch dem Völkermord an den Ovaherero (und auch den Nama) gesprochen, um die Schwere des deutschen Kolonialverbrechens hervorzuheben und zur Aufarbeitung beizutragen. Der Begriff 'Aufstand' mutet vor diesem Hintergrund eher verharmlosend an und suggeriert einen unrechtmäßigen Akt, so wie die deutsche Kolonialmacht ihn auch verstanden hat. Hierin lässt sich erkennen, dass die Benennung des Ereignisses den Rahmen einer Erzählung bestimmen kann.

Ein ähnliches Beispiel stellt der sogenannte chinesische “Boxeraufstand” von 1901 dar, der bislang auch nur in der deutschen Geschichtsschreibung als solcher bezeichnet wurde. In diesem Konflikt mit einerseits der chinesischen kaiserlichen Regierung und andererseits den Kolonialmächten versuchte die Boxerbewegung, sich gewaltsam gegen den imperialen Einfluss der ausländischen Mächte zu wehren und wurde insbesondere vom Deutschen Reich blutig niedergeschlagen und auch länger noch politisch verfolgt. Vor dem Hintergrund, dass mehrere ausländische Mächte (neben dem Dt. Reich noch Großbritannien, Frankreich, Japan, die USA, Österreich-Ungarn, Russland und Italien) militärisch in China eingriffen und zur Beendigung des Konfliktes einen Vertrag, das sogenannte Boxerprotokoll, abschlossen, ließe sich in diesem Fall eher von einem Krieg als einem Aufstand sprechen. Auch hier verdeutlicht der Begriff Aufstand eine koloniale Perspektive.

Empfehlung zum Sprachgebrauch und Umgang mit Schulbüchern

Der Begriff Aufstand wird heute im alltäglichen Sprachgebrauch oft verharmlosend verwendet, beispielsweise um vermeintliche Nichtigkeiten ironisch ins Lächerliche zu ziehen. Gleichzeitig wird Gewalt als Mittel zum Widerstand oder in Verbindung mit einer politischen Forderung in unserer Gesellschaft allgemein geächtet und ist nur in Extremsituationen überhaupt zu rechtfertigen. Durch eine unzutreffende und unkritische Nutzung der Quellensprache wird die Perspektive der Kolonialherren übernommen und der Begriff mit einer illegitimen Gewaltanwendung verbunden. Wurden die Namen der 'Aufstände' in der Geschichtswissenschaft der frühen Bundesrepublik noch recht unreflektiert übernommen, lässt sich heute ein eher kritischer Umgang mit den historischen Bezeichnungen in der Forschung erkennen. Im schulischen Kontext birgt das direkte Rezipieren der Aufstände außerdem die Gefahr, dass Schülerinnen und Schüler ihre Einschätzung zu Aufständen nicht reflektieren könnten und ihr Urteil aus der Gegenwart direkt in die Vergangenheit übertragen. So könnten sie Aufstände der Kolonialzeit als illegitim bewerten, obwohl Aufständische, also hier die Kolonialisierten, häufig ihre Unabhängigkeit und Freiheitsrechte (wieder-) zu erlangen suchten. Die Reflexion über die Benennung von Konflikten und welche Perspektive mit diesen Namen wiedergegeben wird, bietet außerdem Anlass, mit Schülerinnen und Schülern darüber zu diskutieren, ob oder wann kriegerische Gewalt überhaupt rechtmäßig und in welchen Fällen verhältnismäßig sein kann. Wichtig ist hierbei die Multiperspektivität: Es geht nicht primär darum, über die Konflikte und deren Ausmaß zu urteilen, sondern um die Übernahme der Perspektive, die in den Begriffen liegt, zu hinterfragen. Auf diese Weise können die Entstehung und die Umstände eines Aufstandes besser nachvollzogen werden. Der Begriff 'Aufstand' kann in der Schule durchaus verwendet werden, sollte jedoch immer historisch eingeordnet und bezüglich der Perspektive reflektiert werden.

Weiterführende Literatur:

Bürger, Christiane: Deutsche Kolonialgeschichte(n). Der Genozid in Namibia und die Geschichtsschreibung der DDR und BRD (Histoire, Bd. 105), Bielefeld 2017.

Dabringhaus, Sabine: Die Boxer. Motivation, Unterstützung und Mobilisierung. In: Leutner, Mechthild/Mühlhahn, Klaus (Hrsg.): Kolonialkrieg in China. Die Niederschlagung der Boxerbewegung 1900–1901 (Schlaglichter der Kolonialgeschichte, Bd. 6), Berlin 2007, S. 60–68.

Zuletzt geändert am 15.07.2021 11:28 Uhr
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