AlteWelt

Alte Welt - Neue Welt

Definition

Alte Welt ist ein Gegenbegriff zu den im frühneuzeitlichen Europa als Neue Welt bekannt werdenden Kontinenten Nord- und Südamerika. Dabei beschreibt Alte Welt die zur Verfügung stehenden und seit der Antike tradierten Wissensbestände über die Kontinente Asien, Afrika und Europa. Diese wurden als Referenz für die Beschreibung der unbekannten und gänzlich anders wahrgenommenen Gesellschaften, Flora und Fauna der Neuen Welt genutzt, um eine grundlegende Andersartigkeit zum Ausdruck zu bringen. Der Begriff Alte Welt wird gelegentlich auch als allgemeine Bezeichnung für die antike Welt genutzt, womit mehr die Epoche gemeint ist und weniger die Raumordnung. Dahingegen wird der Begriff im kolonialen und postkolonialen Kontext mit einer geographischen Differenzierung assoziiert.

Begriffsentstehung/Begriffsgeschichte

Der Seefahrer Amerigo Vespucci nannte die neu entdeckten Kontinente Nord- und Südamerika 1502 Mundus Novus in einem Brief an Lorenzo Pietro di Medici. Dies ist wahrscheinlich die erste Verwendung des Begriffspaares Neue und Alte Welt. Neben der Bezeichnung als Amerika in Anlehnung an Vespucci durch die Humanisten Martin Waldseemüller und Matthias Ringmann etablierten sich die Begriffe der Alten und Neuen Welt allerdings erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Reiseberichten und Karten. Beispiele hierfür sind die weit verbreitete Cosmographia Sebastian Münsters (1546) oder die Übersetzung der Reiseberichte Paesi novamente retrovati Fracanzano de Montalboddos als Newe vnbekanthe landte und ein newe weldte in kurz verganger zeythe erfunden.

Mit diesem Begriffspaar wurde nun versucht, das neue Wissen über Amerika in das bestehende, christlich geprägte Weltbild einzubinden. Bislang dachte man, die Welt bestünde aus den durch das Mittelmeer drei geteilten Kontinenten Europa, Afrika und Asien, die von einem großen Meer umringt sein sollten. Sowohl in (wiederentdeckten) antiken Quellen als auch in der Bibel werden jeweils nur diese drei Kontinente genannt, denn sie waren die damals bekannte Welt. Aus der biblischen Geschichte zu Noah leitete man sich außerdem die Herkunft der verschiedenen Völker auf der Welt ab: nach dieser Erzählung zogen Noahs drei Söhne Cham, Sem und Japhet auf jeweils einen der drei Kontinente und ihre Nachkommen bildeten die verschiedenen Völker. Dass es nun weitere Kontinente und Bevölkerungsgruppen geben sollte, die weder in der Bibel noch in antiken Quellen vorkamen, passte nicht in dieses Weltbild und erweckte in Europa Hoffnungen und Neugier, machte vielen Menschen aber auch Angst. Die Neue Welt stand für das Unbekannte.

Daten aus historischen Textkorpora zeigen zudem sowohl für Alte Welt als auch für Neue Welt verschiedene Höhepunkte in der relativen Häufigkeit der Verwendung der Begriffe. So gibt es Höhepunkte in der Verwendung um das Jahr 1800, sowie um das Jahr 1870, insbesondere in wissenschaftlichen Texten. Auffällig ist dabei, dass es sich in den Texten vermehrt um naturwissenschaftliche und biologische Studien handelt, die die Unterschiedlichkeit von Alter und Neuer Welt in Flora und Fauna herausstellen. Die alte und somit den Europäern bekannte Welt fungiert dabei seit dem 16. Jahrhundert als Referenzrahmen für die in der neuen Welt gemachten Beobachtungen. Der zweite Höhepunkt könnte dabei außerdem mit der Hochphase des Imperialismus und der damit einhergehenden Zunahme von transkontinentalen Kulturbegegnungen in Verbindung gebracht werden, die v. a. in Zeitungsartikeln und in der Wissenschaft aufgegriffen wurden. Eine weitere mögliche Erklärung für die breitere Verwendung ist der Sezessionskrieg und die anschließende Neuformierung in den USA, worauf eine zunehmende Auseinandersetzung mit den amerikanischen Kontinenten in Europa folgte und Migrationsbewegungen hervorbrachte.

Einordnung/Empfehlung für den Sprachgebrauch

Durch die so geschaffene Gegensätzlichkeit der Begriffe Alte Welt und Neue Welt und ihre Verwendung in heutigen Texten wird somit ein eurozentrisches Weltbild tradiert. Dieses vernachlässigt Geschichte und Kultur der indigenen amerikanischen Menschen und stellt Europa als Orientierung für die Einteilung der Welt dar. Den amerikanischen Kontinenten wird somit eine inhärente Neuartigkeit und auch Fremdartigkeit zugeschrieben. Während der Alten Welt in diesem Zusammenhang Zivilisation und Kultur zugeschrieben worden sind, wurde der Neuen Welt gerade dies abgesprochen (Zivilisierungsmission). Für die Europäer galt es, die Ideale der Alten Welt in die Neue Welt hineinzutragen. Dies bedeutete u.a., christlich zu missionieren, Herrschafts- und Gesellschaftssysteme zu etablieren und die dortigen Ressourcen wirtschaftlich zu nutzen. Zudem wurde versucht, die amerikanischen Kontinente aus wissenschaftlicher Sicht zu erforschen. Dieser Umgang mit der Neuen Welt macht ein Überlegenheitsdenken der Europäer gegenüber dieser deutlich. Der Begriff Alte Welt ist jedoch auch durch den Anspruch problematisch, für die Gesamtheit der Kontinente Europa, Asien und Afrika zu sprechen, obwohl in der Regel tatsächlich nur auf Wissen über Westeuropa Bezug genommen wird.

Die Begriffe Alte Welt und Neue Welt werden auch heute noch, häufig ohne entsprechende Einordnung, in Sachtexten, v. a. in Schulbüchern oder Zeitungsartikeln, verwendet. So findet man in Schulbüchern, wenn es um die Entdeckung der amerikanischen Kontinente geht, oft die Überschrift “Die Entdeckung der Neuen Welt”, welche das frühneuzeitliche Weltbild und die entsprechende suggerierte europäische Überlegenheit im globalen Kontext tradieren und unterstützen. Zudem wurden mit dem Begriff Neue Welt auch neue Möglichkeiten assoziiert, die Europäer in dem entdeckten Land gesehen haben. Er hat somit eine positive Konnotation, die das Leid der indigenen Bevölkerung durch das Ankommen der Europäer vernachlässigt. Auch das AntiDiskriminierungsBüro (ADB) Köln und der Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V. haben in einem 2013 herausgegebenen Glossar zum rassismuskritischen Sprachgebrauch den Begriff Neue Welt als kritisch eingestuft, da er “Eroberung, Enteignung, Vertreibung und Völkermorde” (Fußnote) beschönige. Dies trifft somit auch auf den Gegenbegriff Alte Welt zu. Eine Verwendung der Begriffe erscheint somit nur noch im historischen Kontext und mit entsprechender Einordnung als sinnvoll. Überschriften wie die obige sollten in Zukunft in Schulgeschichtsbüchern vermieden werden. Insbesondere Schülerinnen und Schüler, die oftmals zum ersten Mal mit den historischen Begebenheiten konfrontiert werden, prägen sich diese Begriffe ein und begegnen diesen Konzepten unter Umständen unkritisch.

Weiterführende Literatur:

Hitzbleck, Kerstin: Einleitung. Transformationen des Fremden im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. In: Dies./Schwitter, Thomas (Hrsg.): Die Erweiterung des ‚globalen‘ Raumes und die Wahrnehmung des Fremden vom Mittelalter bis zur Frühen Neuzeit (Itinera, Bd. 38, Beiheft zur Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte), Basel 2015, S. 5–31.

Schnurmann, Claudia: Europa trifft Amerika. Zwei alte Welten bilden eine neue atlantische Welt, 1492-1783 (Atlantic Cultural Studies, Bd. 7), Berlin 2009.

Zuletzt geändert am 15.07.2021 11:17 Uhr
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