Schutzgebiet

Definition

Der Begriff 'Schutzgebiet' beschreibt ein fremdes Gebiet, welches der Oberhoheit eines Staates unterstellt ist (meist in Bezug auf die deutschen Kolonien). Der Begriff wird von Zeitgenossen meist mit einem gewissen Euphemismus bzw. mit einer beschönigenden Wirkung benutzt, um Gebiete unter deutscher Kolonialherrschaft zu beschreiben.¹

Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext

Trotz einer anfänglich ablehnenden Haltung gegenüber den Besitz von Kolonien erklärte Otto von Bismarck in den Jahren 1884/1885 die Gebiete Togo, Kamerun, Deutsch- Südwestafrika, Deutsch- Ostafrika und Deutsch- Neuguinea zu sogenannten 'Schutzgebieten'. Ausnahmen waren hierbei die Gebiete Kiautschou (1897) und Deutsch- Samoa (1899). Otto von Bismarcks wechselhafte Haltung bezüglich einer Kolonialpolitik kann aus verschiedenen Gründen resultieren. Einerseits aus dem Grund um von innenpolitischen Problemen im Deutschen Reich abzulenken und durch den Fokus auf eine Kolonialpolitik, ein Prestige- bzw. Einheitsgefühl innerhalb der deutschen Bevölkerung zu entwickeln.² Andererseits war es der politische Druck durch die Kolonialverbände im Deutschen Reich, die diesem Sinneswandel bei der Bevölkerung und bei Bismarck bewerkstelligten.³

Um außenpolitische Probleme mit Großbritannien zu vermeiden, sollten koloniale Verwaltungen nicht durch das Deutsche Reich direkt, sondern durch Chartered Companies , Privatgesellschaften mit deutschen Hoheits- sowie Sonderrechten und Privilegien geführt werden. Die Berliner Konferenz 1884/85 (auch 'Kongokonferenz' oder 'Westafrika- Konferenz' genannt), löste die europäischen Spannungen um 'Gebietsansprüche' in Afrika, jedoch wurde die Zukunft von AfrikanerInnen, welche auf diesen Gebieten lebten kaum behandelt. Damit keine pauschalen Gebietsansprüche gefordert werden konnten, sollten koloniale Verwaltungen dokumentiert werden, was eine direkte Inbesitznahme durch die jeweilige Kolonialmacht dieser Gebiete und den Ausbau der Kolonie ins Hinterland erforderte. Während einheimische Individuen als Untertanen betrachtet wurden, galten in den Kolonien nichtdeutsche Europäer_innen als 'Schutzgenossen', welche als fremde Staatsangehörige den deutschen Konsularschutz erhielten.

Es folgte der direkte Kontakt der Einheimischen mit dem europäischen Kolonialismus, in meisten Fällen in Form von Steuern, Zwangsarbeit und Unterwerfung. Die in die deutschen Kolonien entsandten Militärs, die kaiserlichen 'Schutztruppen', stellten einen Teil der direkten Herrschaft in den deutschen Kolonien, mit Aufgaben der Grenzsicherung, Expeditionsdurchführungen oder der Eroberung und Erhaltung von kolonialem Besitz. Aufgrund der hohen Kosten für diese Einheiten und deren Entsendung, stellten sich traditionell die SPD und die Zentrumspartei gegen die Kolonialpolitik.⁴ Die weiteren mentalen Entwicklungen der Kolonialismus- Gedanken wurden mit großer Beteiliung unter Intellektuellen und Akademikern an deutschen Hochschulen geführt. So haben neben zivilgesellschaftlichen Organisationen auch akademische Organisationen und Organe zur gesellschaftlichen Etablierung kolonialen Gedankenguts mitgewirkt.5

Das Gleichgewicht der europäischen Bündnissysteme innerhalb der Ära Bismarck sollte aufrechterhalten werden. Untergeordnet waren die Interessen der Kolonisierten. Diese Menschen waren immer wieder ein Spielball für europäische Rivalitäten und Kriege, sodass vorkoloniale Gesellschaftsstrukturen und Kulturkreise mit der Zeit aufgelöst wurden.6

Empfehlung für den gegenwärtigen Sprachgebrauch

Da dieser Begriff aus einer kolonialistischen Sichtweise "ein kolonisiertes Besatzungsgebiet"7 im Namen des 'Schutzes' den Interessen der Kolonialmacht nützt und somit die "Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse in ein Schutzverhältnis verdreht [...]"8 werden, wird davon abgeraten diesen Begriff zu verwenden, allein auch deswegen, weil mit der Nutzung koloniale Machtverhältnisse verdeckt oder beschönigt werden. So sollte dem/r Sprecher/in, im geschichtlichen Diskurs, dieser Tatsache bewusst sein und Begriffe wie 'Kolonie' verwendet werden, um das Ausbeutungsverhältnis des Kolonialismus nicht zu beschönigen, sondern deutlich zu benennen.9

Verwendete Literatur

[1] Vgl. "Schutzgebiet", bereitgestellt durch den Duden <https://www.duden.de/rechtschreibung/Schutzgebiet>, abgerufen am 26.12.2021.

[2] Im Bezug auf die These des "Sozialimperialismus" nach Hans-Ulrich Wehler.

[3] Vgl. Zeller, Joachim: Das Deutsche Reich: der Nachzügler, in: Thomas Aldrich (Hg.): Ein Platz an der Sonne. Die Geschichte der Kolonialreiche, Stuttgart 2008, S. 238- 253.

[4]Vgl. ebenda.

[5] Vgl. Reed- Anderson, Paulette: ‘‘Ein Platz an der afrikanischen Sonne‘‘ 07/2004, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/themen/migration-integration/afrikanische-diaspora/59372/ein-platz-an-der-afrikanischen-sonne/ (zuletzt aufgerufen am 08.03.2022).

[6] Vgl. Zimmerer, Jürgen: Bismarck und der Kolonialismus. Gründung des deutschen Kolonialreiches 03/2015, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/apuz/202989/bismarck-und-der-kolonialismus?p=1#footnode18-18 (zuletzt aufgerufen am 27.12.2021).

[7] Freese, Anne: „Schutzgebiet“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S.696.

[8] ebenda.

[9] Vgl. ebenda.

Weiterführende Lektüre und Links

Reed- Anderson, Paulette: "Ein Platz an der afrikanischen Sonne" 07/2004, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/afrikanische-diaspora/59372/kolonialgeschichte.

Zimmerer, Jürgen: Bismarck und der Kolonialismus. Gründung des deutschen Kolonialreiches 03/2015, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter:https://www.bpb.de/apuz/202989/bismarck-und-der-kolonialismus?p=1#footnode18-18.

Zuletzt geändert am 24.07.2022 16:47 Uhr
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