Rassismus

Definition

Der dazugehörende Begriff „Rasse“ stammt aus den romanischen Sprachen, z.B. Französisch race für "Geschlecht" oder "Stamm".1 Die damit zusammenhängende Ideologie des Rassismus befähigt Menschen dazu durch phänotypische Auswahlkriterien, Benennungspraktiken und Stereotypisierungen andere Menschen oder Menschengruppen in gedachte Gruppen, wie "Rassen" oder "Ethnien" einzuordnen. Hierbei beschreibt Rassismus weniger einen natürlichen Hass von Menschen auf Menschen mit anderen phänotypischen Merkmalen. Es ist vielmehr ein über Jahrhunderte aufgebautes hierarchisches System, das durch kategorisierendes Denken Menschengruppen imaginiert und gezielt diskriminiert, um diese für den Profit einer weißen 'übergeordneten' Gruppe auszubeuten.2 So sind Rassismus oder vermeintliche 'Menschenrassen' eine Erfindung, die in der Realität Menschen kategorisierend in Hierarchien einordnet.3 Die Ausprägungen des Rassismus variieren in unterschiedlichen Formen, die sich je nach Zeit und Ort verändern.

Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurde der Rassenbegriff zunehmend in Verbindung mit Markern wie ‚Hautfarbe‘ oder Religionszugehörigkeit in Verbindung gebracht. Durch die zunehmende Entwicklung gesellschaftlicher Determinanten konnten Menschen kategorisiert und in soziale Hierarchien eingeordnet werden, um zugunsten einer ‚rassisch‘ weißen überlegenen Gruppe eine Ausbeutung anderer Gruppen ermöglichen zu können. Die hierarchische ‚Höherwertigkeit‘ einer weißen ‚Rasse‘ bedarf einer Unterordnung aller nicht-weißen ‚Rassen‘. Der demnach sich selbst zugeschriebene Zivilisationsanspruch einer weißen Gruppe legitimierte die Kolonisation und Versklavung anderer Menschengruppen, um diesen den Zugang zur ‚Zivilisation‘ zu ermöglichen. Jedoch steht außer Frage, dass diese 'anderen' Gruppen die Position des weißen Mannes jemals erreichen würden.4

Die damit einhergehende moralische Notwendigkeit der Zivilisierung anderer Völker wurde als ‚Bürde des weißen Mannes‘ designiert (nach Rudyard Kipling). Im Rahmen dieser metaphorischen Figur werden andere Gruppen alterisierend als das ‚Andere‘ gekennzeichnet. Auf der Grundlage des ‚Rassenkonzepts‘ wurden weitere pseudo-wissenschaftliche Ansätze entwickelt, welche die Methoden der Eugenik sowie ‚Rassenhygiene‘, vor allem in der NS-Zeit legitimierten, um eine 'weiße' Überlegenheit zu erhalten. Um jene ‚Rassenhygiene‘ zu erhalten, nutzte das NS-Regime Propagandabegriffe wie 'Rassenschande'. Dieser Begriff diente als Ächtung für Menschen, die intermenschliche Beziehungen zwischen ihrer ‚reinrassigen‘ deutschen ‚Rasse‘ und Menschen vermeintlich anderer ‚Rassen‘ führten. Trotz der Zerschlagung des Nationalsozialismus verbleibt rassentheoretisches Gedankengut in der Gegenwart.5

Eine protorassistische Ausprägung dergleichen findet sich im Konzept der Limpieza de sangre (span. „Reinheit des Blutes“). Mit diesem Konzept grenzten sich die spanischen Altchristen von den Neuchristen ab, die muslimische oder jüdische Vorfahren hatten und sich im Zuge der Reconquista der iberischen Halbinsel zum Christentum bekannten. Doch verwehrte dieses Konzept jenen Neuchristen höhere kirchliche und staatliche Ämter, sodass durch Stigmatisierung die ‚Reinheit‘ christlichen Blutes gewährleistet sein sollte. Demnach sollten jene ‚Reinheitskonzepte‘ im Kontext von Rassentheorien nicht allein auf die NS- Zeit beschränkt werden.

Um strukturellen Rassismus im Alltag wahrnehmen zu können und dessen Phänomene als Rassismus zu deuten, muss also gegenwärtig Rassismus mehr als nur eine Denkweise verstanden werden, die im deutschen Kontext mit der Entmachtung des NS- Regimes formal ein Ende fand und ‚nur‘ noch in rechtsextremen Randgruppen weitergeführt werde.6 Die Mehrheitsposition wird nicht hinterfragt, auch nicht in Deutschland. Daraus erschließt sich eine Anerkennung der Farbenblindheit, welche jedoch den für MigrantInnen sichtbaren Rassismus verneint.7 Jener strukturelle Rassismus kann bekämpft werden, indem man beginnt die Existenz von Rassismus anzuerkennen und eine Kritik des Selbstbildes durchzuführen. Wenn man beginnt das Fremde nicht mehr als fremd zu bezeichnen, wird das gegenüberstehende Subjekt durch Empathie in die Nähe des Eigenbilds gerückt. So werden Bezeichnungspraktiken auf Grundlage von ‚Hautfarbe‘ oder anderen Faktoren überflüssig.8

Empfehlungen für den gegenwärtigen Sprachgebrauch

Generell gilt als wissenschaftlich bewiesen, dass es keine menschlichen ‚Rassen‘ gibt, sodass jene Zuschreibung für Menschen vermieden werden sollte, da man sich somit in rassistischen Denkmustern befindet. So sollte man auch nicht statt ‚Rasse‘ die Bezeichnung ‚Menschen mit anderer Hautfarbe‘ verwenden, weil der/die Sprecher/in sich im selben Denkansatz von Rassentheorien befinden würde.9 Die Existenz des Rassismus zu verneinen oder mögliche rassistische Tendenzen unhinterfragt zu sehen oder zu verleugnen trägt lediglich zur Weiterführung eines rassistischen Hierarchieverhältnisses in der Gegenwart bei.10 So kann man bei einer Notwendigkeit zur Zuordnung von Menschen jene Bezeichnungen verwenden, die vom Individuum oder von der spezifischen Gruppe als generell akzeptiert wird. Als Beispiel nehme man die Bezeichnungen ‚Schwarze‘ oder ‚Schwarze Menschen‘ oder auch die Bezeichnung ‚People of Colour‘. Hierbei ist nicht das verwendete Adjektiv entscheidend für eine korrekte Bezeichnung, sondern die soziokulturelle Zugehörigkeit der Person oder Personengruppe.

Verwendete Literatur

[1] Vgl. Arndt, Susan: „Rasse“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 660- 664, hier S. 660.

[2] Vgl. Arndt, Susan: „Rassismus“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 37- 43, hier S. 38.

[3] Vgl. Hilpert, Wolfram/ Schüller-Ruhl, Tabea/ Meyer, Dorothee: einfach Politik: Lexikon A-Z 12/2021, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-in-einfacher-sprache/322448/rassismus/ (letzter Zugriff: 06.06.2022).

[4] Vgl. Arndt, Susan: „Rasse“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 660- 664, hier S. 660- 662.

[5] Vgl. ebenda, S. 662- 664.

[6] Vgl. Arndt, Susan: „Rassismus“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 37- 43, hier S. 42- 43.

[7] Vgl. El-Tayeb, Fatima: Deutschland postmigrantisch? Rassismus, Fremdheit und die Mitte der Gesellschaft 04/2016, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/223928/zufluchtsgesellschaft-deutschland/?blickinsbuch (letzter Zugriff: 07.06.2022).

[8] Vgl. Kattmann, Ulrich: Rassen? Gibt's doch gar nicht! 12/2015, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/213673/rassen-gibt-s-doch-gar-nicht (zuletzt abgerufen am 07.06.2022).

[9] Vgl. Arndt, Susan: „Rasse“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 660- 664, hier S. 664.

[10] Vgl. Hilpert, Wolfram/ Schüller-Ruhl, Tabea/ Meyer, Dorothee: einfach Politik: Lexikon A-Z 12/2021, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-in-einfacher-sprache/322448/rassismus/ (letzter Zugriff: 06.06.2022).

Weiterführende Lektüre

Reitz, Michael: Überall und nirgends- Wie viel Mühe es macht, Rassismus zu begründen 03/2022, veröffentlicht durch br.de, URL online unter: https://www.br.de/mediathek/podcast/nachtstudio/ueberall-und-nirgends-wie-viel-muehe-es-macht-rassismus-zu-begruenden/1850084.

Stosiek, Tobias: Sprechen ohne zu diskriminieren. Das rassistische Erbe unserer Sprache 05/2022, veröffentlicht durch br.de, URL online unter: https://www.br.de/kultur/gesellschaft/sozusagen-rassistisches-erbe-sprache-diskriminierung-rassismus-kolonialismus-susan-arndt-100.html.

Zuletzt geändert am 19.07.2022 18:38 Uhr
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