Pied-Noir

Definition

Unter dem französischen Neologismus 'Pied- Noir' versteht man Menschen französischer oder auch europäischer Abstammung, welche sich in Nordafrika, vorrangig im Maghreb, angesiedelt haben und dort bis zur Unabhängigkeit der jeweiligen Kolonie den Bevölkerungsanteil der colons (Kolonisten) ausmachten.1 Die Begriffsbezeichnung wurde von französischen Truppen für die in Algerien ansässigen muslimisch- arabischen Menschen verwendet, welche barfuß liefen. Erst als 1930 die Repräsentanten der französischen Kolonialverwaltung Algeriens zu einem Fest in Paris mit weißen Anzügen und schwarzen Stiefeln kamen, wurden Franko- Algerier_innen generalisierend als "Pieds- noirs" bezeichnet.2

Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext

Die koloniale Inbesitznahme Algeriens durch Frankreich ab 1830 führte zur Ansiedlung von colons an den Küstenregionen aber auch der deutlichen Spaltung der frühen neo- europäischen Gesellschaft in der Kolonie. Neben einer Minderheit von schon vorher angesiedelten wohlhabenden Schichten, kamen mehrheitlich ärmere Siedler_innen aus dem Mutterland in Algerien an. Muslimisch- arabische Algerier_innen waren zwar teilweise an dieser Gesellschaft beteiligt, genossen jedoch nicht die französische Staatsbürgerschaft, welches laut dem Code de l'indigénat von 1875 nur 'Europäer_innen' erhalten durften. Der Décret Crémieux von 1870 gewährte den einheimischen Jüdinnen und Juden das französische Bürgerrecht.

Mit dem Beginn des algerischen Unabhängigkeitskrieges 1954 erhärteten sich des Weiteren die Fronten zwischen der FLN (Front de Libération Nationale) und der französischen Kolonialverwaltung bzw. auch dem französischen Staat. Durch die Anwendung von Terror auf beiden Seiten polarisierte sich die franko- algerische Gesellschaft, aber auch die der algerischen, in monolitihische Lager.3 Die darauffolgende Parteinahme vieler Pieds- noirs für die Seite des französischen Staates, welcher seine kolonialen Interessen in Algerien abbaute, führte 1960 zur Gründung der paramilitärischen Untergrundorganisation der OAS (Organisation de l’armée secrète), bestehend aus ranghohen französischen Militärs, mit dem Ziel Algerien am Mutterland zu halten. Die terroristischen Aktionen in Europa und Algerien in den Jahren 1960/61, aber auch ein Staatsstreich durch die OAS in Algerien 1961, sollten den Versuch erwägen den französischen Staat weiterhin gegen die algerische Unabhängigkeit zu bewegen.

Die algerische Unabhängigkeit 1962 führte seitens der FLN zur Verfolgung und Vertreibung von Franko- Algeriern. Während jene Pieds- noirs durch die französische Staatsbürgerschaft Zuflucht in Frankreich erhielten, wurde diese Möglichkeit den frankreichtreuen Harkis, algerisch- muslimischen Kolonialsoldaten samt ihren Familien, verwehrt, sodass es zu zahlreichen Massakern an diesen Menschen kam.4

Ungefähr 1,4 mio. Pieds- noirs wurden nach der algerischen Unabhängigkeit in Frankreich repatriiert, besonders in Gebieten Südfrankreichs. Trotz ihrer Staatsbürgerschaft kamen viele Menschen als Immigranten mit Anpassungsschwierigkeiten, Enttäuschungen und Entmutigungen dem Mutterland gegenüber, nach Frankreich. Trotzdem gelang größtenteils eine Integration in die französische Gesellschaft.

Empfehlungen für den gegenwärtigen Sprachgebrauch

Obwohl der Begriff 'Pieds- noirs' einst pejorativ verwendet wurde, nutzen viele Menschen jener Herkunft diesen als Mittel der Selbstidentifikation und -definition. Um den eher umgangssprachlichen Begriff zu ersetzen, könnte die Bezeichnung 'Franko- Algerier_innen' verwendet werden.

Verwendete Literatur

[1] Vgl. "Pied-noir", bereitgestellt durch den Dictionnaire de français Larousse <https://www.larousse.fr/dictionnaires/francais/pied-noir/60796>, abgerufen am 08.02.2022.

[2] Vgl. Barbara, Augustin: Pourquoi "pieds- noirs"? 08/1980, veröffentlicht durch lemonde.fr, URL online unter: https://www.lemonde.fr/archives/article/1980/08/06/pourquoi-pieds-noirs_2796284_1819218.html#:~:text=Le%20dictionnaire%20Robert%20indique%20que,l'AlgA9rie%20en%20chaussures%20noires.&text=Ils%20portaient%20des%20chaussures%20noires%20et%20pointues (zuletzt aufgerufen am 08.02.2022).

[3] Vgl. Hamoumou, Mohand: Les harkis, un trou de mémoire franco-algérien, in: Esprit. 5 (1990) 161, S. 25- 45, hier: S. 28- 30.

[4] Vgl. Savarese, Éric: « Pieds-Noirs, harkis, rapatriés : la politisation des enjeux », in: Pôle Sud. 24 (2006) 1, S. 3- 14.

Zuletzt geändert am 24.07.2022 17:12 Uhr
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