Moderne

Definition


Die Moderne oder Modernisierung beschreiben die Verbindung von etwas Neuem mit dem bereits Existenten. Es ist als ein (andauernder) Prozess zu verstehen, welcher nicht linear voranschreitet oder ein bestimmtes Abschlussziel beabsichtigt.

Einordnung (Etymologie; wissenschaftlicher Kontext)


Der Begriff “Modern” oder “Moderne” wird im Lateinischen mit dem Wort modernus bezeichnet, welches sich als “gegenwärtig” oder “neuartig” übersetzen lässt. Demnach wird der Begriff als Gegenbegriff und auch als Umbruch zum “Alten” und “Traditionellen” verwendet. Obwohl der Begriff Moderne besonders seit dem 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung, Entwicklung, Globalisierung und weiteren Aspekten in direkte Verbindung gebracht wird, darf die Moderne nicht als ein vereinheitlichender Parameter verstanden werden. Es werden dadurch nämlich individuelle Traditionen, Dynamiken und Dimensionen einer jeden Gesellschaft, Regierung oder Region außer Acht gelassen. Demgegenüber ist “die Moderne” im wissenschaftlichen Diskurs bezüglich der Geschichte, Literatur oder auch Kunst als eine Epoche zu verstehen, welche ungefähr im Zeitraum von 1880 bis 1920 zu verorten ist, folglich bis etwa zum Ende des Ersten Weltkriegs. So sind verschiedene historische Ereignisse und Gegebenheiten als prägnante epochale Merkmale festzustellen. Die industrielle Revolution im 18. und 19. Jahrhundert galt als einer der Auslöser für umfassende Umstrukturierungen diverser Regionen und Gesellschaften. Mit der Entstehung der Industriegesellschaften gingen rasanter Bevölkerungszuwachs, Urbanisierung und die “soziale Frage” einher. In Bezug auf Kunst und Kultur sind die Strömungen des Impressionismus und des Expressionismus festzustellen, welche thematisch die Probleme der modernen Gesellschaft wie Krieg und Industrialisierung aufgreifen.

Empfehlung für den gegenwärtigen Sprachgebrauch


Modernisierung als Prozess innerhalb einer Gesellschaft ist nie abgeschlossen, sodass zwischen Tradition und Moderne kein Gegensatz erkennbar ist, vielmehr sind beide stets miteinander verbunden. Auch stellt Modernisierung keinen eindimensionalen Prozess dar, dessen Ausgang bestimmbar wäre. “Die Moderne”, wie sie umgangssprachlich heutzutage verstanden wird, kann es deswegen nicht geben. Sie besteht lediglich aus Kombinationen bestimmter Merkmale, wie z.B. politischen Systemen, Nationalismen oder ethnischen Bewegungen. Deshalb bedeutet Modernisierung nicht die Abkehr von Traditionen. Deskriptiv betrachtet stehen beide Begriffe für Veränderungen, wobei dies bei der Tradition weitaus langsamer und vorsichtiger voranschreitet als bei der Modernisierung. Bei Letzterer können Kernelemente unterschiedlich häufig gestaltet und kombiniert werden. Analytisch gesehen bezeichnen beide Begriffe Einstellungen oder Lebenshaltungen. Tradition geht hier eng mit einer konservativen Haltung einher, die Wandel möglichst aufhalten möchte. Eine modernistische Haltung dagegen befürwortet jede Art von Wandel. Modernisierung ändert sowohl die Stellung des Individuums in der Gesellschaft als auch die Einstellung zum Prozess selbiger. Besondere Aufmerksamkeit hierbei sollte jedoch der idealtypischen Beschreibung dieser Begriffe gewidmet werden, damit diese nicht aus ihrem theoretisch-wissenschaftlichen Kontext gerissen und zu Stereotypen werden. Modernität und Traditionalität sollten stets aus ihrer jeweiligen zeitlichen und geographischen Perspektive betrachtet werden. So sollte im Hinblick auf Quellensprache beispielsweise von “zeitgenössisch” die Rede sein, da die dort erwähnte Modernität auf einen bestimmten Kontext referiert. Im Allgemeinen sollte in der heutigen Zeit die Modernität nicht als ein Parameter genutzt werden, denn wissenschaftlicher, technischer und gesellschaftlicher Wandel geschieht von Region zu Region unterschiedlich, d. h. die Betitelung einer Gesellschaft als modern führt automatisch zur Herabsetzung einer anderen als rückständig.

Vor diesem Hintergrund ist “die Moderne” lediglich als eine Möglichkeit zu verstehen, eine epochale Einordnung auszudrücken, welche ausschließlich die Zeit vom 18. bis 19. Jahrhundert aufgreift, wobei berücksichtigt werden muss, dass es charakteristische historische Kriterien gibt, wie etwa die damalige Industrialisierung. Hinzukommend kann anhand von Kunst und Literatur dieser Zeit nachgewiesen werden, dass sich diverse Gesellschaften als explizit “modern” verstanden. Schließlich muss ebenso beachtet werden, dass auch die Nutzung des Ausdrucks “die Moderne” als epochale Einordnung kritisch oder zumindest vorsichtig zu betrachten und nutzen ist, da enorme regionale, gesellschaftliche und historische Unterschiede vorliegen. Als exemplarisches Beispiel soll hier die Entstehung der Industriegesellschaften, welche überwiegend in westlichen Ländern stattfand, genannt werden und folglich alle anderen Länder, welche dieses Kriterium nicht erfüllen, disqualifizieren würde. Die heutige Zeit explizit als “die Moderne” zu betiteln wäre vor dem illustrierten Hintergrund falsch und missverständlich, weshalb diese Bezeichnung als Ausdruck der jetzigen Zeit und dessen (wissenschaftlichen, technischen, …) Fortschritt nicht genutzt werden sollte.

Referenzen und weiterführende Literatur


Paul, Axel T./ Leanza, Matthias: Kolonialismus und globale Moderne. Jenseits der Vereinfachung, in: Soziologie Zeitschrift, Heft 2., 2021, S. 150-165, URL online unter: https://soziologie.de/fileadmin/user_upload/zeitschrift/volltexte/LeanzaPaul_Kolonialismus_Soziologie_2_2021.pdf (zuletzt aufgerufen am 30.06.2021).

Saalmann, Gernot: Der Begriff "modern" und seine Analysekraft, Freiburg 2008.

Zuletzt geändert am 15.07.2021 21:36 Uhr
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