Mischehe

Definition

Unter dem genannten Begriff versteht man, laut dem Duden, zum einen eine "Ehe zwischen einer Partnerin und einem Partner verschiedener Konfession, Religionszugehörigkeit, Kulturkreise oder Nationalität"1 zum anderen einen eher unter nationalsozialistischer Definition eine "Ehe zwischen einem als arisch [...] definierten Partner bzw. einer solchen Partnerin und einer jüdischen Partnerin bzw. einem jüdischen Partner".2

Weitergeleitet aus dem lateinischen miscere für mischen, suggeriert der Begriff einer 'Mischehe' eine behördlich anerkannte Bindung zwischen zwei Menschen, welche aus unterschiedlichen Gruppen stammend, in diese Bindung eintreten bzw. diese Bindung führen. Die Bewertung jener Bindung von außerhalb, kann dabei in unterschiedlichen Formen in Erscheinung treten.

Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext

Neben der noch anfänglichen Konnotation für interkonfessionelle Ehen wurde dieser Begriff während der deutschen Kolonialzeit mit Rassentheorien assoziiert. Als 'Mischehe' galt also auch eine Bindung zwischen weißen deutschen Männern mit nicht- weißen kolonisierten Frauen. Die daraus resultierenden Debatten mit dem Umgang dieser zwischenmenschlichen Beziehungen prägen noch heute das Denken der deutschen Mehrheitsgesellschaft.3

Vorerst galten in christlich- missionarischen Kreisen jene 'Mischehen' als ein Mittel zur kolonialen Herrschaftssicherung. So sollten uneheliche Verbindungen, Prostitution oder Polygamie unterbunden werden. Andererseits stellten jene zwischenmenschliche Beziehungen eine deutsche Kolonialherrschaft infrage, im Rahmen der Zerstörung des Fundaments des institutionellen Rassismus, auf dessen sich eine weiße Vorherrschaft legitimieren ließe. Die Erlaubnis der Eheschließung zwischen Weißen und Mitgliedern der indigenen Bevölkerung sei "[...] eine direkte schwere Gefahr für die weitere Entwicklung des Deutschtums [...]".4 Die rassistische Logik dahinter verstand 'Deutschsein' und 'Weißsein' als Synonyme. Deutsch und Schwarz seien demnach Gegensätze. Dieser kausal- rassistische Sachverhalt unterband 'Mischehen'.5 Nationalistisch- konservative Kolonialverbände, aber auch kolonialistisch motivierte Frauenverbände forderten die Unterbindung von 'Mischehen' in den Kolonien und der Einwanderung weißer deutscher Frauen, um jene 'Mischehenfrage' zu lösen.6 Staatlich angeordnete Maßnahmen zur Prävention von 'Mischehen' wurden unterschiedlich umgesetzt oder auch annuliert.7 Trotz jeglicher Kritik seitens kolonialer und biologistischer Kreise wurden 'Mischehen' im Deutschen Reich anerkannt. Der Rassenbegriff und die Veränderlichkeit von 'Rassen' wurden in Frage gestellt.8

Im Zuge der Nürnberger Gesetze und des 'Blutschutzgesetzes' von 1935 wurden Eheschließungen zwischen 'Ariern' und 'Nicht- Ariern', wie Juden, Sinti und Roma oder Schwarzen unter Strafe gestellt, um die nationalsozialistische Rassenpolitik aufrechtzuerhalten.

Der heutige Gebrauch des Begriffs 'Mischehe' wird zumeist unbewusst verwendet oder mit der NS- Ideologie verbunden, sowie den Eheschließungsverboten. Zum kolonialen Hintergrund wird hierbei weniger Bezug genommen, sodass koloniale Wissenssegmente weitergetragen werden.9 Die längst überholte Annahme der Unterteilung der Menschen in 'Rassen' findet dennoch Legitimation bei der Nutzung von semantisch nahen Begriffen wie 'Mischling' oder diffamierenden Formen wie 'Mulatte',10 'Chino/a', 'Mestizo/in', 'Zambo/a' oder 'Halbblut'.

Empfehlungen für den gegenwärtigen Sprachgebrauch

Da der Begriff 'Mischehe' neben seiner diffamierenden Bezeichnung einer zwischenmenschlichen Beziehung auch kontinuierliche Spuren des Rassismus und Kolonialismus aufweist, sollten Alternativbezeichnungen wie 'interkulturelle Ehen' oder 'binationale Ehen' verwendet werden, welche diese Konnotationen nicht aufweisen.

Verwendete Literatur

[1] "Mischehe", bereitgestellt durch den Duden <https://www.duden.de/rechtschreibung/Mischehe>, zuletzt abgerufen am 14.01.2022.

[2] ebenda.

[3] Vgl. Dietrich, Anette: Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 644- 649.

[4] Hubrich, Eduard: Die Mischehenfrage in den deutschen Kolonien, in: Zeitschrift für Politik 6 (1913), S. 498- 506.

[5] Vgl. Zeller, Joachim: Das Deutsche Reich: der Nachzügler, in: Thomas Aldrich (Hg.): Ein Platz an der Sonne. Die Geschichte der Kolonialreiche, Stuttgart 2008, S. 238- 253.

[6] Vgl. Dietrich, Anette: Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 644- 649.

[7] Vgl. ebenda.

[8] Vgl. ebenda.

[9] Vgl. ebenda.

[10] Vgl. Arndt, Susan: Kolonialismus, Rassismus, Sprache. Kritische Betrachtungen der deutschen Afrikaterminologie 07/2004, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/postkolonialismus-und-globalgeschichte/228137/sprache (zuletzt abgerufen am 14.01.2022).

Weiterführende Lektüre

Geulen, Christian: Die Geschichte des Rassismus. München4 2021.

Zuletzt geändert am 21.03.2022 13:09 Uhr
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