Kannibale

Definition

Nach der Definition des Duden versteht man unter dem Begriff 'Kannibale' eine "männliche Person, die Menschenfleisch verzehrt [...]" sowie ein "[...] Angehöriger eines Naturvolkes, bei dem Kannibalismus herrscht".1 Entlehnt wird der Begriff caníbales oder caríbales im Spanischen im 16. Jahrhundert vom Stammesnamen der Kariben.2

Biologisch gesehen beschreibt der Begriff den Verzehr von Artsgenossen, welcher auch im Tierreich häufig auftritt. Dennoch werden mit der Verwendung dieses Begriffs im kolonialen Kontext asymmetrische Hierarchieverhältnisse hervorgerufen, welche aus zivilisatorisch- missionarischen Legitimationsvorstellungen resultierten jene 'anthropophage Gesellschaften' in den Amerikas zu bekehren.

Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext

Schon seit Beginn der Antike herrschte die Vorstellung, dass hinter den Säulen des Herakles (heißt: hinter der Straße von Gibraltar), Völkerschaften leben würden, welche in Anthropophagie lebten und sich von Menschenfleisch ernähren würden.

Bei den ersten Kontakten zwischen Europäern und indigenen Völkern in der Karibik wurden antike Vorstellungen mit indigenen Erzählungen über angebliche anthropophage hundeähnliche Gesellschaften in der Karibik verbunden. Der Begriff 'Kannibale' entstammt etymologisch gesehen aus der Arawak- Sprache. Der Begriff 'caniba' wäre eine andere Form des Wortes 'cariba' als Bezeichnung für das indigene Volk der Karib. Da Kolumbus noch in Dimensionen der 'Alten Welt' dachte, nahm er an, dass er im Begriff 'canibal' den lateinischen Begriff 'canis' (Hund) erkannt habe. Der Begriff anthropophag wurde mit dem des Kannibalen identisch.3

Die Kunde über die Erzählungen der Indigenen und von angeblichen Menschen, welche hundeähnlich wären und Menschenfleisch äßen, manifestierte sich in den Vorstellungen der europäischen Gesellschaften, sodass indigene Völker zumeist mit Kannibalismus assoziiert wurden. Auch erkenntlich werden solche Denkmuster anhand zeitgenössischen Karten, wie der Carta Marina (1516) von Martin Walseemüller, in der Indigene als anthropophage Menschen dargestellt werden.4

Im (post-)kolonialen Diskurs wird durch Zuschreibung von kannibalischen Eigenschaften für ein Volk die Primitivisierung einer Gesellschaft und das Absprechen des Mensch- Seins betrieben. Das Topos des 'Menschenfressers' diente jahrhundertelang als Rechtfertigung und Notwendigkeit für 'Zivilisierungsmissionen' durch Europäer_innen.5

Empfehlungen für den gegenwärtigen Sprachgebrauch

Trotz der fachlichen Verwendung dieses Begriffs in der Biologie, sollte im kolonialen Kontext vermieden werden, diesen Begriff zu benutzen, da dieser lediglich der Idee des Machtanspruchs dient.6

Verwendete Literatur

[1] "Kannibale", bereitgestellt durch den Duden <https://www.duden.de/rechtschreibung/Kannibale>, abgerufen am 09.02.2022.

[2] ebenda.

[3] Vgl. Joseph, Jurt: Die Kannibalen: erste europäische Bilder der Indianer von Kolumbus bis Montaigne, in: Monika, Fludernik (Hg.): Der Alteritätsdiskurs des Edlen Wilden. Würzburg 2002, S. 45- 63.

[4] Vgl. Susan Scott Parrish: The Female Opossum and the Nature of the New World. In: The William and Mary Quarterly . 54 (1997) 3, S. 475- 514.

[5] Vgl. Susan, Arndt: "Kannibalismus". In : Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 691- 692.

[6] Vgl. ebenda.

Zuletzt geändert am 21.03.2022 13:55 Uhr
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