Hautfarbe

Definition

Die vereinfachte Definition, dass eine 'Hautfarbe' ein "Farbton der menschlichen Haut" 1 wäre, ist zu kurz gefasst, da hier nur vermeintliche physische Merkmale des Menschen beschrieben werden.

Die Färbung der menschlichen Haut beruht biologisch gesehen auf die Anpassung des Menschen an seine jeweilige Umwelt und dessen Klima bzw. Sonneneinstrahlung. Der unterschiedliche Anteil der Melaninproduktion in den Hautzellen des Menschen resultiert demnach nach der Intensität der Sonneneinstrahlung, um die Bildung des Prävitamin D3 aus dem Provitamin D3 umzuwandeln, welches durch die Einwirkung der UV- B- Strahlung bewerkstelligt wird. Je nach Intensität der Sonneneinstrahlung passt sich der menschliche Körper anhand seiner Haut an diese Umstände an, aus der visuell die sogenannten 'Hautfarben' in Erscheinung treten, obwohl die menschliche Haut immer gleich aufgebaut ist und dieselben Funktionen bei jedem Menschen hat, ausgenommen vom individuellen Fingerabdruck.

Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext

Die Kategorisierung der Menschen nach dem Kriterium der 'Hautfarbe' ist eines der zentralen Elemente, wenn nicht auch ein Stadium in der Geschichte des Rassismus, um jenes Denken zu rechtfertigen bzw. zu legitimieren.2

Die Hautfarbenlogik etablierte sich bereits in der griechischen Antike noch mit dem von Aristoteles geprägten Begriff des andreikelon, welcher sich je nach Leseart als "menschenähnlich"3 übersetzen ließe. Die Haut sei die Hülle des Menschen. Dennoch ist aufgrund der unterschiedlichen Konnotationen von einer 'Hautfarbe' keine klare oder konstante Unterscheidungslinie erkennbar, sodass man auf die Logik des Unterschieds zwischen 'Griechen' und 'Nicht- Griechen' ('Barbaren') angewiesen ist.4

Die christliche Farbsymbolik hingegen bedient sich im Zuge einer Dichotomie einer 'Weiß- Schwarz- Logik'. Schwarz stünde für Ungehorsam, Schande oder fehlender Moral, während die Farbe Weiß die Reinheit, Unschuld und Tugend symbolisieren würde.5

Nach einer theologischen Auffassung des Ham- Mythos oder der Hamitentheorie, welche im Rahmen der Afrikawissenschaften Bezug finden, wird eine gewisse Pflicht der 'Schwarzen' beschrieben, den 'Weißen' zu dienen, in welcher auf die Bibel als Quelle zurückgegriffen wird.⁵ Noah habe seinen Sohn Ham und seinen Enkel Kanaan verflucht (Genesis 9). Christliche Gelehrte zogen daraus, dass aufgrund ihrer Sünden, diese 'geschwärzt' seien und demnach deren Nachkommen diesen Fluch weitertragen müssten. Ham und Kanaan wären nach der Hamitentheorie die Stammväter vieler afrikanischer und asiatisch- arabischer Kulturen.6

Auch in feudalen Gesellschaften Europas und des Vorderen Orients konnte es zu Unterscheidungen innerhalb des 'Weißseins' kommen. Die Begriffskombination 'blaues Blut' oder dessen Adjektiv 'blaublütig' beschreiben die Abstammung einer adeligen Person. Im Kontext von Vorstellungen zur Zugehörigkeit zu einer spezifischen Klasse, einem Stand oder einer 'Rasse' soll hier durch das visuell wahrnehmbare bläuliche Schimmern der Venen unter der Haut die selbstverständliche eigene Zuordnung hervorgehoben werden. Das Privileg keine schwere körperliche Arbeit im Freien zu tätigen wird dadurch akzentuiert, sodass sich der Status jenes 'Weißseins' von anderen 'Weißen' abhebt.7

Rassistische Konzepte befassen sich zumeist mit anthropologischen oder zoologischen Vorstellungen, welche das Verhältnis des Menschen mit dem Tierreich aber auch untereinander vergleichen und Hierarchieverhältnisse schaffen. Die Zugehörigkeit eines Menschen zur Menschheit könnte aufgrund dessen 'Hautfarbe' verwehrt oder zugesprochen werden.8

Im Zeitalter der Aufklärung und dem ausgehenden 18. Jahrhundert entwickelten sich diese zivilisatorischen Denkmuster auf der Basis von Naturforschern, auf die, in Bereichen der Evolution des Menschen, im Zuge der gegenwärtigen Bildung öfters Bezug genommen wird. Forscher in der Zeit der Aufklärung wie Georges- Louis Leclerc de Buffon (1707- 1788) oder Carl von Linné (1707- 1778) entwickelten jene Rassentheorien weiter. In Linnés Buch der Systema Naturae wird der Mensch im Schema einer Vierrassenordnung in die Kategorien Homo asiaticus, Homo africanus, Homo europaeus und Homo americanus eingeteilt, denen stererotypisierende und typologisierende Zuschreibungen für ihr Verhalten und ihrer körperlichen Verfassung hinzugefügt werden.9 Weitere Konzepte beinhalteten ähnliche Aufteilungen der Menschheit in angebliche ‚Großrassen‘, wie ‚Kaukasier‘, ‚Mongoloide‘ oder ‚Negroide‘. Diese würden weiter untergliedert werden. Weiterführend, werden diese Annahmen in der Anthropometrie oder der Schädelvermessung angeblich wissenschaftlich belegt, mit der Orientierung an der Norm des 'Weißseins'.

Die Weiterentwicklung dieser Theorien erforderte, aufgrund der massiven Zweifel und Logikfehler, das Zusammendenken von Merkmalen wie Hautfarbe, Haarstruktur, Nasenform, Lippen, Wangenknochen und Schädel. Letztlich nahm die Untersuchung des menschlichen Blutes einen neuen Faktor für den genetischen Nachweis von 'Rassen'.10

Die daraus resultierende Ungleichheit der Menschen und die Abstufung von menschlichen Existenzen festigten sich im Rahmen der NS- Ideologie über 'Rassenreinheit' und nahmen Bezug auf das Konstrukt 'Hautfarbe'. Diese pseudo- wissenschaftlichen Annahmen und Denkweisen führten letztendlich zur politischen Legitimation für die Verfolgung und Ermordung von Millionen von Menschen.11

Das menschliche Denken ist bis heute davon geprägt typologisch und vereinfachend vorzugehen.12 Die vermeintliche Suche nach Ersatzbegriffen, um im Rahmen von politischer Korrektheit koloniale Wissenssegmente zu meiden, tilgt jedoch nicht den Grundgedanken, dass das Individuum sich in rassisch- klassifizierenden Denkmustern bewegt.13

Das Individuum wird mit der Erkenntnis der Nichtexistenz von vermeintlichen 'Rassen' beginnen das Fremd- und Eigenbild zu hinterfragen. Wird das Fremde nicht mehr als fremd erkannt, wird es durch Empathie in die Nähe des Eigenbilds gerückt. Die Einordnung des jeweiligen gegenüberstehenden Menschen wird nicht mehr in Kategorien wie 'Hautfarbe' beurteilt, sondern mit einem Blick auf das Individuum selbst.14 So wird das Konstrukt der 'Hautfarbe' überflüssig.

Empfehlungen für den gegenwärtigen Sprachgebrauch

Es gilt als wissenschaftlich widerlegt, dass sogenannte 'Rassen' existieren. Dennoch ist Rassismus nicht als eine menschliche (Re-)Aktion auf allein visuell wahrnehmbare Merkmale zu verstehen. Wie aus historischen Beispielen entnehmbar, ist der Rassismus anpassbar und in seinen Formen variabel. Jegliche Denkweisen über die Kategorisierung der Menschen in 'Rassen', 'Hautfarben' oder in andere Kriterien sind nicht auf der Basis von Vernunft belegt, sondern sind ein politisch- soziales Konstrukt, welches auf Empfindungen beruht, oftmals um auch eine soziale Hierarchie zu schaffen, zu legitimieren oder zu erhalten.

Wenn also rassistische Begriffe vermieden oder ersetzt werden, so geschieht das im Kontext der intensiven Auseinandersetzung mit Diskriminierungen und Ideologien. Aus diesem Grund scheint es umso wichtiger diese Thematiken in den alltäglichen und gesellschaftlichen Fokus für öffentliche Debatten zu rücken.15

Verwendete Literatur

[1] "Hautfarbe", bereitgestellt durch den Duden <https://www.duden.de/rechtschreibung/Hautfarbe>, abgerufen am 12.01.2022.

[2] Vgl. Arndt, Susan: „Hautfarbe“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S.334.

[3] Vgl. ebenda, S. 334- 335.

[4] Vgl. ebenda, S. 335.

[5] Vgl. ebenda, S. 336- 337.

[6] Vgl. ebenda, S. 336- 337.

[7] Vgl. Arndt, Susan: "blaues Blut". In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 682.

[8] Vgl. Koller, Christian: Was ist eigentlich Rassismus? 12/2015, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/213678/was-ist-eigentlich-rassismus (zuletzt abgerufen am 12.01.2022).

[9] Vgl. Charmantier, Isabelle: Linnaeus and Race 09/2020, veröffentlicht durch The Linnean Society, URL online unter: https://www.linnean.org/learning/who-was-linnaeus/linnaeus-and-race (zuletzt abgerufen am 12.01.2022).

[10] Vgl. Arndt, Susan: „Hautfarbe“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, ebenda, S. 338.

[11] Vgl. ebenda, S. 338.

[12] Vgl. Kattmann, Ulrich: Rassen? Gibt's doch gar nicht! 12/2015, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/213673/rassen-gibt-s-doch-gar-nicht (zuletzt abgerufen am 12.01.2022).

[13] Vgl. Arndt, Susan: „Hautfarbe“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019,S. 340- 342.

[14] Vgl. Kattmann, Ulrich: Rassen? Gibt's doch gar nicht! 12/2015, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/213673/rassen-gibt-s-doch-gar-nicht (zuletzt abgerufen am 12.01.2022).

[15] Vgl. Arndt, Susan: Kolonialismus, Rassismus, Sprache 07/2004, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/postkolonialismus-und-globalgeschichte/228137/sprache?p=1#footnodeid_3-2 (zuletzt abgerufen am 12.01.2022).

Weiterführende Lektüre

Fischer- Tiné, Harald: Rassentheorien und Rassismus in Asien im 19. und 20. Jahrhundert 12/2015, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/213683/rassentheorien-und-rassismus-in-asien-im-19-und-20-jahrhundert.

Geulen, Christian: Warum ist es so schwer, von Rassismus zu sprechen? 12/2015, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/213691/warum-ist-es-so-schwer-von-rassismus-zu-sprechen.

Kolbert, Elizabeth: Warum menschliche „Rassen“ ein erfundenes Konstrukt sind 07/2020, veröffentlicht durch National Geographic, URL online unter: https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2020/07/warum-menschliche-rassen-ein-erfundenes-konstrukt-sind.

Zuletzt geändert am 12.07.2022 12:52 Uhr
Powered by PmWiki