Fetisch

Definition

Der Begriff ‚Fetisch‘ entstammt ursprünglich aus dem portugiesischen feitiço, das aus dem lateinischen factitius entlehnt wurde, was ‚künstlich‘ oder ‚nachgemacht‘ bedeutet. Ein ‚Fetisch‘ beschreibt Dinge oder Objekte, die einerseits durch den Menschen eine geistige Machtposition zugeschrieben werden und andererseits als Gegenstand der Macht per se verkörpert werden.1

Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext

Während der Begriff im Spätmittelalter im Rahmen von Häresie und Idolatrie verwendet wurde, die im Zusammenhang mit Aberglauben standen, war die Bedeutung von portugiesischen Händlern geprägt, die die Kulturen und Glaubenspraktiken von westafrikanischen Gesellschaften beschrieben, in denen Machtobjekte eine Rolle in deren Glauben spielten.2 Im Rahmen der Konzepte von Religionsgeschichte kann Fetischismus als ein vorheriges Stadium einer Religion bezeichnet werden. So wurden während der Zeit von Kolonialeroberungen zahlreiche Objektkulte als ‚Naturreligionen‘ abgewertet. Dazu zählen auch angebliche Verehrungen von Totems, bei der die Verbundenheit des Menschen zur Umwelt und dessen Teilhabe an einer religiösen Welt häufig missinterpretiert wurden. Diese indigenen Religionspraktiken waren ausschlaggebende Faktoren für die Unterstellung der angeblichen Rückständigkeit der zu kolonisierenden Gesellschaften.3 Diese weitere koloniale Bezeichnung ‚Naturreligion‘ vermittelt auf abwertende Weise die religiösen Ansichten, Institutionen oder Praktiken in außereuropäischen Gesellschaften. ‚Natur‘ sowie ‚Kultur‘ werden gleichgesetzt, was jenen praktizierenden Völkern ein Grad an ‚Unterentwicklung‘ unterstellte.4 Auch wenn koloniale Herrschaften unterschiedlich mit indigenen Religionen oder Glaubensvorstellungen umgingen, kam es aufgrund des zivilisatorischen Deutungs- sowie Herrschaftsanspruchs der Kolonisatoren zur Unterdrückung indigener Kulte und einer Durchsetzung eines staatlich gestützten christlichen Religionsmonopols bis hin zur Selbst- Christianisierung oder Bestärkung einer Widerstandsbewegung unter der indigenen Bevölkerung.5

Gegenwärtig werden zahlreiche, in der Kolonialzeit geraubte Kulturgüter mit religiöser Bedeutung, in europäischen Museen oder Kunstsammlungen ausgestellt. Der kulturelle Vergleich von fetischistischer Objektverehrung zwischen christlich-europäischen und indigen- außereuropäischen Kulturgütern ist hierbei ungleich dargestellt. Die Verehrung einer Marienskulptur würde anders verstanden werden als die Verehrung einer Figur aus dem Kongo oder einem anderen afrikanischen Land.6

Empfehlungen für den gegenwärtigen Sprachgebrauch

Trotz jeglicher Verwendung der Begriffe ‚Fetisch‘ oder ‚Fetischismus‘ in anderen Bereichen der Gegenwart, ist die Verwendung im kolonialen Diskurs ein Faktor für Fremdzuschreibung und Hierarchisierung von Kulturen. Die Verehrung eines Objektes veranlasse eine bloße Liebe für eine Fassade, nicht das Verständnis einer Gottesidee. So liegt auch die Unterstellung nahe, dass diese Bevölkerungen nicht dazu in der Lage wären abstraktes Denken oder die Idee eines monotheistischen Gottes zu verstehen.7 Die eindeutige kolonialistische Verwendung des Begriffs ist eindeutig, sodass im kolonialen oder kulturellen Kontext davon abgeraten werden sollte, diese Begriffe anzuwenden.

Verwendete Literatur

[1] Vgl. Dunzendörfer, Jan: „Fetisch/Fetischismus“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben 0des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 634- 638, hier S. 635.

[2] Vgl. ebenda, S. 635.

[3] Vgl. ebenda, S. 636.

[4] Vgl. Ofuatey-Alazard, Nadja: „Naturreligion“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben 0des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 693.

[5] Vgl. Osterhammel, Jürgen/ Jansen, Jan C.: Kolonialismus, München⁸ 2021, S. 100- 105.

[6] Vgl. Mortier, Elisabeth: Ein Mangaaka geht auf Reisen. Afrikanische Kunst im Bode-Museum 10/2017, veröffentlicht durch blog.smb.museum, URL online unter: https://blog.smb.museum/ein-mangaaka-geht-auf-reisen-afrikanische-kunst-im-bode-museum/ (letzter Zugriff: 18.06.2022).

[7] Vgl. Weissenburger, Peter: Psychopathologisierung des Begehrens. Was heißt denn hier Fetisch? 10/2019, veröffentlicht durch taz.de, URL online unter https://taz.de/Psychopathologisierung-des-Begehrens/!5628030/ (letzter Zugriff 18.06.2022).

Zuletzt geändert am 12.07.2022 14:22 Uhr
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