Berber

Definition


Der Begriff “Berber” bezeichnet eine Bevölkerungsgruppe, welche in Nordafrika ansässig ist. Es handelt sich dabei um eine Fremdbezeichnung, da die Eigenbezeichnung “Amazigh” (pl. Imazighen) lautet, welches sich mit “Die Freien” übersetzen lässt. Die Bevölkerungsgruppe reicht von den Maghreb-Staaten (Marokko, Algerien, Tunesien und Westsahara) bis Ägypten weiter bis zum Nigerbogen und zur südlichen Sahara. Dabei spricht die Mehrheit, welche in Marokko (40 bis 60 %) und Algerien (20 bis 25 %) zu verorten ist, die Sprache des Tamaziɣt, wobei durch den arabischen Einfluss verschiedene Varietäten entstanden sind. Alternativ sind viele Imazighen zweisprachig aufgewachsen oder haben Arabisch als Erstsprache angenommen.

Einordnung (Etymologie; wissenschaftlicher Kontext)


Der begriffliche Ursprung lässt sich im griechischen Begriff bárbaros verorten. Heutzutage lässt sich in diesem Terminus eine negative Konnotation feststellen, obgleich diese im ursprünglichen Gebrauch nicht vorhanden sein sollte. Die alten Griechen sollen den Begriff verwendet haben, um Menschen zu definieren, welche nicht die griechische Sprache sprachen und damit als fremdartig eingestuft worden. Der Begriff wurde mit verschiedenen Assoziationen verknüpft, welche eine nicht zivilisierte und wilde Bevölkerung veranschaulicht. Im Laufe der Zeit hat sich die negative Konnotation weiter ausgedehnt und das Volk wurde durch Griechen, Phönizier, Franzosen, Spanier und Araber bis in die Gegenwart maßgeblich beeinflusst. Begründen lässt sich dies mit Blick auf den geschichtlichen Hintergrund, da alle genannten Bevölkerungsgruppen die Imazighen nicht nur bekriegten, sondern beispielsweise Marokko und weitere Gebiete eroberten und kolonialisierten. Nach der Eroberung durch die Griechen und Phönizier kam es Mitte des siebten Jahrhunderts zur Eroberung durch die Araber. Dabei spielten die Imazighen bei der erfolgreichen Einnahme der Iberischen Halbinsel durch die Araber eine wichtige Rolle, welche um das Jahr 700 n. Chr. in das nordafrikanische Gebiet eindrangen und eine starke Arabisierung in der Kultur und Sprache auslösten. Trotz des Einflusses der Araber und der Konvertierung zahlreicher “Berber” zum Islam, blieben die tamazight Kultur und Sprache erhalten. Die Eroberung der Iberischen Halbinsel durch die Araber mithilfe der Imazighen um das Jahr 711 n. Chr. löste wenige Jahre später die sog. Reconquista aus, also die Wiedereroberung der arabisierten Gebiete durch die im Norden begründeten christlichen Fürstentümer, welche im Jahre 1492 endete. Die Vertreibung der Juden und Muslime hatte politische und ökonomische Auswirkungen auf Nordafrika. Viele Menschen waren gezwungen, ihre Heimat auf der Iberischen Halbinsel zu verlassen und sich in Nordafrika, insbesondere in Marokko und Algerien niederzulassen, wodurch bis heute die Gesellschaft durch die verschiedenen Kulturen und Bevölkerungsgruppen geprägt ist. Mitte des 19. Jahrhunderts begann Spanien besonders Marokko zu erobern und eröffnete damit eine wiederholte Kolonialisierung des Nordens, die sich durch die Kriege im Rif, bei welchem es sich um Atlasgebirge im Norden Marokko handelt, und den dort lebenden Imazighen kennzeichnete. Auch Frankreich begann seinen Einfluss zu erweitern, wodurch Marokko in ein spanisches und ein französisches Protektorat aufgeteilt wurde. Durch die Kolonialisierung kam es in den Gebieten der Imazighen zur Unterdrückung ihrer Kultur und Sprache. In diesem Zeitraum wurde ein Fundament für die Sozialorganisation der Imazighen-Bewegung geschaffen. Diese Auswirkungen des Kolonialismus lassen sich bis heute erkennen, indem das Französische seinen halboffiziellen Status als Amtssprache beispielsweise in Marokko beibehält. Die Schriftsprache des Tamaziɣt ging dabei verloren, wird jedoch durch verschiedene Schriftsprachen wieder neu eingegliedert. Auch nach der Unabhängigkeit Marokkos und Algeriens 1956 sowie 1962 gibt es weiterhin Beispiele für Repressionen der Imazighen unter nordafrikanischen Herrschern. Die kulturelle und politische Eigenständigkeit wurde erst in den 1990-er Jahren durch Lockerungen möglich, indem unter anderem die Sprache Tamaziɣt als zweite offizielle Amtssprache eingeführt wurde. Besonders in Algerien stellt die Imazighen-Bewegung stetig neue Ansprüche an die Regierung und fordert eine zunehmende Pluralität in Bezug auf die Sprache und Kultur neben der arabischen Kultur.

Empfehlung für den gegenwärtigen Sprachgebrauch


Durch die Eigenbezeichnung wird zudem zum ersten Mal ein Kollektivbewusstsein der indigenen Bevölkerung in den Maghreb-Staaten geschaffen, da es zunächst kein Einheitsbewusstsein zu geben schien und sich die Imazighen an ihren jeweiligen Regionen orientiert haben und in diesem Rahmen eine Identifikation stattfand. Es sollte deutlich gemacht werden, dass das amazigische Bewusstsein in keiner Weise mit der Fremdbezeichnung übereinstimmt. Besonders die Imazighen versuchen durch die Durchsetzung ihrer Eigenbezeichnung sich nicht nur von der Fremdbezeichnung „Berber“ zu distanzieren, sondern ebenso vom Kollektiv der Araber. Innerhalb der Imazighen existieren noch weitere regionale Bezeichnungen wie die in den Rif-Gebirgen lebenden Imazighen, welche sich noch als Ifiriyen bezeichnen oder die Imazighen in der Region Souss, die sich als Isilhayan bezeichnen. Auch wenn sich die Termini Amazigh und Imazighen mit der Zeit durchgesetzt haben, bleiben die regionalen Bezeichnungen bestehen. Beim Terminus “Berber” wird der rassistische und diskriminierende Hintergrund zunächst nicht deutlich. Erst mit der Betrachtung des historischen Kontextes und der deutlich negativen Konnotation sowie der Tatsache, dass es sich bei der Bezeichnung um keine Eigenbezeichnung handelt, wird die nachdrückliche Empfehlung ausgesprochen, diesen Begriff nicht zu verwenden, obgleich in der Literatur der Begriff aufgrund der Außenperspektive auf die Bevölkerungsgruppe noch immer verwendet wird. Alternativ sollte die Eigenbezeichnung “Amazigh” in der Mehrzahl “Imazighen” verwendet werden, sowie die dazugehörige Sprache “Tamaziɣt”, um die Eigenbezeichnung zukünftig in allen Bereichen, insbesondere in der Literatur und in Schulen zu etablieren.

Referenzen und weiterführende Literatur


Amazigh. Die Berber Marokkos, 07. November 2020; URL online unter: https://www.arganoel-zauber.de/blogs/wissenswertes/amazigh-berber-marokkos ; (zuletzt aufgerufen: 09.07.2021).

Barbar. Bedeutung, Konnotationen und Fakten, 29. August 2020; URL online unter: https://delphipages.live/de/politik-recht-regierung/politik-politische-systeme/barbarian; (zuletzt aufgerufen: 10.07.2021).

Brandes, Jörg-Dieter: Die Geschichte der Berber. Von den Berberdynastien des Mittelalters zum Maghreb der Neuzeit. Casimir Katz Verlag, Gernsbach 2004.

Mattes, Hanspeter: Die ungelöste Berberproblematik in Algerien: Grundlagen für einen Dauerkonflikt, in: Nahost Jahrbuch, Leske und Budrich, Opladen 2002, S. 228-233.

Kogelmann, Franz: Berber, in: Bundeszentrale für politische Bildung; https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/islam-lexikon/21338/berber; (zuletzt aufgerufen: 10.07.2021).

Losemann, Volker (Marburg/Lahn): “Barbaren”,i n: Cancik, Hubert (Hg.); Landfester, Manfred (Hg.); Schneider, Helmuth (Hg.): Der Neue Pauly; URL online unter: http://dx.doi.org/10.1163/1574-9347_dnp_e212470 (zuletzt aufgerufen: 10.07.2021).

Pfeifer, Kirstin: »Wir sind keine Araber!« Amazighische Identitätskonstruktion in Marokko, transcript Verlag, Bielefeld 2015.

Zuletzt geändert am 15.07.2021 21:34 Uhr
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