Afrodeutsch

Definition

Die Selbstbezeichnung „Afrodeutsch“ kennzeichnet afrikanischstämmige Menschen in Deutschland, die sich einer Schwarzen Identität zuschreiben und sich der deutschen Gesellschaft zugehörig fühlen.1

Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext

Die Geschichte Schwarzer Identitäten in Deutschland lässt sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen.2 Zu vermehrten Zuwanderungen aus Afrika kam es jedoch erst mit dem Beginn der deutschen Kolonialzeit. Mit der Aufteilung Afrikas auf der Berliner Kongo- Konferenz 1884 und der Einrichtung der Kolonien kam ein Bedarf an einheimischen Fachkräften infrage, sodass zum Zweck der Ausbildung viele afrikanischstämmige Menschen ins Deutsche Reich kamen. Viele wurden jedoch für eine Tätigkeit in den Kolonien ausgebildet. Darunter waren auch Berufe wie Koch, Dolmetscher oder als Askari der Schutztruppe. Viele Zuwanderer blieben ihr Rest des Lebens in Deutschland.3 Die Ballungsräume dieser schwarzen Diaspora in Deutschland bildeten Berlin und Hamburg.4

Auch während der Zeit der Weimarer Republik waren Afrikaner_innen in Deutschland Rassismus im Alltag und auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt. Die Stationierung französischer Truppen mit nicht-weißem Hintergrund im Rheinland hatte rassistische Propagandakampagnen zur Folge. Jenes Bild der 'Schwarzen Schmach' im Rheinland stellte stereotypisierende Darstellungen von schwarzen Menschen dar, die der deutschen Mehrheitsgesellschaft einer Gefahr gleichen würden. Diese Propagandakampagnen aus den 1920er Jahren wurden ab 1933 wieder vom NS-Regime aufgegriffen, um das Konzept der 'Reinhaltung der Rasse' vor 'Fremdartigkeit' zu schützen.5

Während der NS-Zeit wurden vielen Afrodeutschen die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen und im Zuge der Gleichschaltung aller Institutionen aus Ihrer Arbeitsstelle entlassen. Neben wöchentlicher Meldepflicht, wurde diesen Menschen die Ausreise erschwert. Wie auch andere Gruppen, wurden viele Afrodeutsche vom NS-Regime gezielt ausgegrenzt, verfolgt oder in Konzentrationslager deportiert.6

Die Existenz schwarzer Identitäten rückte erst auf Eigeninitiativen afrodeutscher Bewegungen und Vereine wie die ‚Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e.V.‘ (ISD-Bund e.V.), im Jahr 1986, in den gesellschaftlichen Fokus. Die kritische Auseinandersetzung mit Zugehörigkeitsbekenntnissen wurde vor allem in den 1980er Jahren durch die Emanzipation Schwarzer Aktivistinnen in Deutschland angeführt, um Wertschätzung und Anerkennung Schwarzer Weiblichkeit hervorzuheben. Hierzu gehört auch die Entkräftung der Annahme, dass Deutschsein und Schwarzsein zwei Entitäten seien und eine Identität aus beiden Komponenten nicht möglich wäre.7

Selbst im Feld der deutschen Kunst und Literatur sind auch afrikanischstämmige Kulturschaffende zumeist unbemerkt geblieben. Die Annahme, dass die behandelten Themen in den Werken keine relevanten Themen für Deutschland seien und das Verständnis dafür, dass eine deutsche Identität nicht nur mit Weißsein gleichzusetzen ist und welche Themen als relevant für Deutschland gelten würden, ändert sich erst langsam.8

Empfehlungen für den gegenwärtigen Sprachgebrauch

Die gegenwärtige Verwendung der Bezeichnung ‚Afrodeutsch‘ bezieht sich nicht mehr auf die frühere Wortbedeutung, dass ein Elternteil afrikanischer Abstammung und der andere deutscher Abstammung sei. Mit der Zunahme der Anzahl von schwarzen Kindern in Deutschland, die zwei schwarze Eltern besitzen, veränderte sich auch die Wortbedeutung des Begriffs von ‚Afrodeutsche_r‘ in Schwarze Deutsche.9

Im Zuge der Nutzung dieser Eigenbezeichnung seitens Schwarzer Menschen in Deutschland, ist es auch angemessen jenen zu verwenden. Begriffe wie ‚Farbige_r‘ oder andere Wortvarianten, die eine Fremd- oder Andersartigkeit von Menschen suggerieren, sind Fremdbezeichnungen, die negativ konnotierte Inhalte vermitteln und anhand von Sprache das Gegenüber unbewusst diskriminieren können.

Verwendete Literatur

[1] Vgl. Eggers, Maureen Maisha/ Ani, Ekpenyong: „Afrodeutsch/ Afrodeutsche_r“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 577- 579, hier S. 577.

[2] Vgl. Aitken, Robbie: Black Germany. Zur Entstehung einer Schwarzen Community in Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. 12 (2022), S. 4- 10, hier S. 4.

[3] Vgl. Oguntoye, Katharina: Afrikanische Zuwanderung nach Deutschland zwischen 1884 und 1945 07/2004, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/themen/migration-integration/afrikanische-diaspora/59383/afrikanische-zuwanderung-nach-deutschland-zwischen-1884-und-1945/?p=all .

[4] Vgl. Aitken, Robbie: Black Germany. Zur Entstehung einer Schwarzen Community in Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. 12 (2022), S. 4- 10, hier S. 7.

[5] Vgl. Roos, Julia: „Die farbigen Besatzungskinder“ der zwei Weltkriege, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. 12 (2022), S. 11- 18, hier S.11- 15.

[6] Vgl. Oguntoye, Katharina: Afrikanische Zuwanderung nach Deutschland zwischen 1884 und 1945 07/2004, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/themen/migration-integration/afrikanische-diaspora/59383/afrikanische-zuwanderung-nach-deutschland-zwischen-1884-und-1945/?p=all .

[7] Vgl. Eggers, Maureen Maisha/ Ani, Ekpenyong: „Afrodeutsch/ Afrodeutsche_r“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 577- 579.

[8] Vgl. Kupka, Mahret Ifeoma: Schwarze Körper in weißen Kunsträumen. Für eine Kultur des Kontakts, in Aus Politik und Zeitgeschichte. 12 (2022), S. 35- 41, hier S. 36.

[9] Vgl. Eggers, Maureen Maisha/ Ani, Ekpenyong: „Afrodeutsch/ Afrodeutsche_r“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 577- 579, hier S. 578.

Lektüreempfehlungen

Diestelmann, Esther: Rassismus in Deutschland. Warum die Rassismus-Debatte erst am Anfang steht 05/2021, veröffentlicht durch br.de, URL online unter: https://www.br.de/kultur/gesellschaft/rassismus-debatte-deutschland-was-hat-sich-geaendert-nach-dem-tod-von-george-floyd-100.html.

Thomey, Emily: „Schwarz und Deutsch“- Die Geschichte der Afrodeutschen 06/2021, veröffentlicht durch www1.wdr.de, URL online unter: https://www1.wdr.de/radio/cosmo/magazin/netzwelt/schwarz-und-deutsch-114.html.

Zuletzt geändert am 24.07.2022 18:13 Uhr
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