Definition
Unter dem Begriff der Tätowierung wird laut Oxford Dictionary Folgendes verstanden: „a picture or design that is marked permanently on a person´s skin by making small holes in the skin with a needle and filling them with coloured ink.“ [1]. Diese Definition ist deutlich detaillierter und konkreter als die des Dudens: „durch Tätowieren enstandenes Bild o.Ä.“ [2]. Dass es sich hierbei um ein modernes Verständnis des Begriffs handelt, zeigt ein Blick auf den etymologischen Ursprung des Wortes.
Einordnung
Ursprünge des heutigen Verständnisses einer Tätowierung können in der Brandmarkung gesehen werden. Wann und wo genau es zur ersten Anwendung und Durchsetzung kam, ist ungeklärt. Aber vor allem vom 12. bis 17. Jhdt. galt die Brandmarkung als Teil der Rechtspraxis [3]. ). Sie wurde dafür eingesetzt, Herrschaftsansprüche gegenüber Sklaven, Vieh und Waren zu verdeutlichen oder als Mittel, um strafrechtliche Vergehen auf den Körpern der Betroffenen anzuzeigen. Vor allem der strafende Gebrauch lässt sich im Altertum wiederfinden [4].
Das Vorgehen wird wie folgt beschrieben: „Mit glühend gemachten Eisen, oft schon in Form fertiger Stempel, brannte man Buchstaben, Tierfiguren oder andere Embleme an gut sichtbarer Stelle in den Körper des zu Zeichnenden ein. Dann wurde, um das Zeichen auch nach dem Abheilen der Brandwunde gut kenntlich zu halten, eine schwarze Flüssigkeit hineingerieben.“ [5]
Rückgreifend auf den Oxford Dictionary zeigt sich, dass diese Aspekte allerdings nicht angeführt werden, wenn nach dem Wortursprung gesucht wird. Dort ist die Rede von: „noun sense 1 mid 18th cent.: from Tahitian. Tongan, and Samoan ta-tau or Marquesan ta-tu. Marquesan is the Polynesian language of the Marquesas Islands in the South Pacific.“ [6]
Auch das Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache spricht von einem erneuten Aufkommen dieses Konzepts: „tätowieren: schw. Ztw. Die Sitte des Tätowierens galt, wie bei allen jungen Völkern, auch bei den Germanen (Reallex. d. germ. Alt.-Kde. 4, 307), war aber erloschen und kam im 18. Jh. von den Marquesas-Inseln neu nach Europa: Palmer (1939) 159. Dabei wurde zu tahit. tatau ´Zeichen, Malerei´ und ´zeichnen´ (entspr. dem frz. tatouer und engl. Tattow) das Ztw. Gebildet, das noch bei Goethe tat(o)uiren lautet. Fachwissenschaftlich heute wieder auch tatuieren.“ [7]
Diese zahlreichen Erwähnungen des tataus, vor allem ab dem 19. Jhdt., hängt mit den vielen zu dieser Zeit veröffentlichten Reise- und Expeditionsberichten zusammen. [8]
„Den ersten tätowierten Südseeinsulaner brachte Dapier 1691 nach Europa. Ihm folgten bis 1775 zahlreiche andere Eingeborene, die auf den Jahrmärkten Europas zur Schau gestellt wurden. Der ungeahnte Aufschwung der Tätowierung in Europa begann aber erst mit den Entdeckungsfahrten Cooks.“ [9]
Tätowierungen galten nicht als etwas, dass in der Mitte der europäischen Gesellschaften angekommen war, sondern wurden stets mit dem Element der „Exotik“ verbunden und betitelt. Sprach man von tatau, wurde sich auf die tahitianischen tataus bezogen, ohne dass dies mit erwähnt werden musste [10].
Dieses erwähnte Element der „Exotik“ das die Körperbemalungen für die Europäer*innen dieser Zeit mit sich brachten, änderte sich im Laufe der Zeit: „Plötzlich aber tat sich mitten durch die heile, gesittete Welt des Europäers eine neue, bedrohliche Grenze auf, an der die Tätowierung ebenfalls aufschien. Diese Grenze, die nicht mehr als die der Zivilisation begriffen werden konnte, wurde sofort als die zur Kriminalität definiert.“ [11]
Dieser Umdeutung entsprechend ähnlich erscheint die spätere Brandmarkung der Jüd*innen in den Konzentrationslagern während des Nationalsozialismus.
Empfehlung
Bisher gibt es keine fachlich fundierten Empfehlungen, wie und ob der Begriff Tätowierung genutzt werden sollte. Daher bietet es sich an, sich der eigenen Nutzung des Wortes bewusst zu werden und den Ursprung zu reflektieren. Da es sich um einen sehr gängigen Begriff des Wortschatzes handelt, fällt es eventuell schwer, den diskriminierenden Aspekt zu übersehen. Das Aufkommen des Konzepts von Körperbemalungen in Europa sollte nicht primär als Folge des Kolonialismus betrachtet werden. Es ist nicht mit der vergangenen (auch europäischen) Praxis der Brandmarkung gleichzusetzen. Aufgrund des Grundprinzips der Geschichte, dass niemals Zugang zu allen vergangenen Quellen geschaffen werden kann, ist auch nicht anzunehmen, dass es schon dem Kolonialismus (oder davon unabhängig) in Europa Formen der Körperbemalung gab, die nicht aus strafender, sondern ästhetischer, religiöser etc. Motivation heraus entstanden.
Was jedoch hier ausschlaggebend ist, ist die Tatsache, dass der Begriff des tatau aufgrund seiner exotischen, kriminellen usw. Konnotationen von Seiten der Europäer*innen zu einer Abgrenzung von den „Anderen“ geführt hat (Konzept des othering). Und darüber hinaus Menschen u.a. aufgrund dieser tataus in Europa zur Unterhaltung wie Objekte ausgestellt wurden. Trotz dieser offensichtlichen Diskriminierung nahmen es sich die Europäer*innen heraus, den Begriff in ihren Wortschatz aufzunehmen, wo er im Laufe der Zeit (zum Beispiel im Deutschen) fast schon „europäisiert“ wurde. Dieser Aspekte sollte man sich bei der Verwendung bewusst sein und eventuell auf andere Formulierungen ausweichen.
Verwendete Literatur
- Oettermann, Stephan: Zeichen auf der Haut. Die Geschichte der Tätowierung in Europa. Frankfurt a.M. 1985, Syndikat.
- https://www.oxfordlearnersdictionaries.com/definition/english/tattoo_1?q=tattoo // abgerufen am 21.09.22.
- https://www.duden.de/rechtschreibung/Taetowierung // abgerufen am 21.09.22.
- Friederich, Matthias: Tätowierungen in Deutschland. Eine kultursoziologische Untersuchung in der Gegenwart (Quellen und Forschungen zur Europäischne Ethnologie, herausgegeben von Dieter Harmening, Bd. XIV). Würzburg 1993, Verlag Königshausen & Neumann GmbH.
[1] https://www.oxfordlearnersdictionaries.com/definition/english/tattoo_1?q=tattoo // abgerufen am 21.09.22
[2] https://www.duden.de/rechtschreibung/Taetowierung // abgerufen am 21.09.22
[3] Vgl. Oettermann, S.103.
[4] Vgl. Oettermann, S.104.
[5] Oettermann, S.104.
[6] https://www.oxfordlearnersdictionaries.com/definition/english/tattoo_1?q=tattoo // abgerufen am 21.09.22
[7] Etymologisches Wörterbuch, S. 771.
[8] Oettermann, S.59.
[9] Friederich, S.19.
[10] Oettermann, S.60.
[11] Oettermann, S.60.