Definition
Im postkolonialen Sinne beschreibt Hybridität, dass die Identität eines Individuums, innerhalb eines Kollektivs, das diese Identität nicht ausgeprägt hat, eine neue, also auch hybride Identität entstehen lässt. Der Wortstamm ‚hybrid‘ stammt aus dem altgriechischen Wort hýbris und beschreibt eine ‚Misch‘-Existenz, die aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt ist. Diese Zusammensetzung würde den Menschen, aufgrund seines vermeintlichen Verstoßes gegen eine metaphysische Ordnung, in Gefahr bringen. So beinhaltet der Begriff ‚hybrid‘ eine negative Konnotation, da die Vermischung verschiedener Elemente Unreinheit symbolisieren würde.1 Von der Konnotation her verwandte Wörter wären demnach ‚Mischling‘ oder ‚Bastard‘.
Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext
Jene Furcht vor Hybridisierung während der Antike prägte auch das Mittelalter. Die Vermischung würde die bestehende Ordnung gefährden und somit einen Verlust von Authentizität hervorbringen. Die Kolonisation des amerikanischen Doppelkontinents durch die Europäer rief, im Zuge der Erfindung von Rassentheorien, ähnliche Ängste vor Vermischung hervor die die Etablierung neuer kolonialer Herrschaftssysteme gefährden könnten. Dennoch kam es während kolonialer Eroberungen auch zu Vergewaltigungen und zu anderen Formen der Grenzüberschreitung, aus denen „gemischtrassige“ Bevölkerungsgruppen entstanden. Diese „hybriden“ Menschengruppen wurden durch fremdbestimmte Zuordnungen in gesellschaftliche Kategorien wie Mulatte/Mulattinnen oder Mestize/Mestizinnen eingeordnet, die ihre Hierarchiepositionen in der neuen kolonialen Gesellschaft bestimmten.2 Dieses neue koloniale Ordnungssystem wertete Menschen, je nach Herkunft des Vorfahren ab bzw. auf. In Mittel- und Südamerika entwickelte sich das Prinzip der Latinidad, das je nach Vermischungsgrad des Menschen und der Herkunft des Vorfahren, einen Menschen den sozialen Status innerhalb dieser Gesellschaften zuwies.3
Über den postkolonialen Diskurs hinaus kann Hybridität in einer globalisierten Gesellschaft auch als Innovation und als Möglichkeit des transkulturellen Austausches betrachtet werden.4 Hierbei gilt das neuere Konzept der ‚hybriden Identitäten‘ im Bereich der Postcolonial Studies. Dieses Konzept zeichnet selbstdefinierte Ausprägungen von Identitäten innerhalb von Gesellschaften aus, die sich in unterschiedlichen Bereichen äußern. Hierzu gehören die Kreolisierung von Sprachen, in der indigene Sprachen sich mir Ex-Kolonialsprachen vermischen und eine Varietätenvielfalt schaffen. Hybride Identitäten können als „dritter Raum“ wahrgenommen werden, die innerhalb zweier Kulturen aufgewachsen sind oder bzw. in ihnen leben und somit die Möglichkeit haben durch Begegnung die Hegemonie Weißer Kultur aufzubrechen.5 Von allen transkulturellen Bereichen ist die Musikkultur gegenwärtig ein Beispiel für erfolgreiche Kulturproduktion, die auf dem Prozess der Hybridisierung beruht.6 Gerade in einer Welt, die von Globalisierung und Migration geprägt wird, ist interkultureller Austausch entscheidend, um anscheinend unterschiedliche Bereiche miteinander verbinden zu können. Vor allem auf wirtschaftlicher Sicht wird es notwendig sein kosmopolitische Einflüsse zu nutzen, um im stetigen internationalen Wettbewerb nationaler Ökonomien partizipieren zu können. Hierbei können in der Kulturindustrie neue Märkte geschaffen werden, die interkulturellen Austausch profitabel und reproduzierbar machen.7
Empfehlungen für den gegenwärtigen Sprachgebrauch
Die Ära der Kolonialreiche ist vorbei, die Reflektion über Auswirkungen und Folgen des Kolonialismus jedoch müssen als eine gemeinsame Aufgabe für die Zukunft verstanden werden.8 So ist es auch notwendig Begriffe wie ‚hybrid‘ oder ‚Hybridität‘ nicht allein auf einen kolonialen Rahmen zu beschränken. Die mögliche Anwendung auf verschiedene Bereiche in einer sich weiterhin globalisierenden Welt ist notwendig, um gegenwärtige Phänomene und Prozesse der Globalisierung und Migration zu verstehen und wahrzunehmen.
Verwendete Literatur
[1] Vgl. Ha, Kien Nghi: „hybrid/ Hybridität“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben 0des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 342- 346, hier S. 342- 343.
[2] Vgl. ebenda, S. 344.
[3] Vgl. Martinez, Janel: When it Comes to Latinidad, Who Is Included and Who isn't? 07/2019, veröffentlicht durch die Media Company Remezcla, URL online unter: https://remezcla.com/features/culture/when-it-comes-to-latinidad-who-is-included-and-who-isnt/ (zuletzt aufgerufen am 11.06.2021).
[4] Vgl. Ha, Kien Nghi: „hybrid/ Hybridität“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben 0des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019, S. 342- 346, hier S. 346.
[5] Vgl. Metzler, Gabriele: Kultureller Wandel und hybride Identitäten 11/2018, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/280680/kultureller-wandel-und-hybride-identitaeten/ (letzter Zugriff: 11.06.2022).
[6] Vgl. Ha, Kien Nghi: Die Grenze überqueren? Hybridität als spätkapitalistische Logik der kulturellen Übersetzung und der nationalen Modernisierung 10/2006, veröffentlicht durch transversal.at, URL online unter: https://transversal.at/transversal/1206/ha/de (letzter Zugriff: 14.06.2022).
[7] Vgl. ebenda.
[8] Vgl. Metzler, Gabriele: Ausblick 11/2018, veröffentlocht durch die Bundespzentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/280685/ausblick/ (letzter Zugriff: 14.06.2022).
Lektüreempfehlungen
Metzler, Gabriele: Die „Anderen“ in den Metropolen 11/2018, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/280677/die-anderen-in-den-metropolen/.
Schäfer, Isabel: Hybride Identitäten – muslimische Migrantinnen und Migranten in Deutschland und Europa 01/2009, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung, URL online unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/32223/hybride-identitaeten-muslimische-migrantinnen-und-migranten-in-deutschland-und-europa/.