Definition
Diese Bezeichnung beschreibt die ehemalige deutsche Kolonie auf den Gebieten des heutigen Staates Namibia und des südlichen Caprivizipfels in Botswana. Jene Fläche der ehemaligen Kolonie wies ein um ein Vielfaches größeres Gebiet als das 'Mutterland' auf.1
Einordnung in den wissenschaftlichen Kontext
Die ersten deutschen Erwerbungen im heutigen Namibia wurden 1883 vom Kaufmann Adolf Lüderitz beschlossen. Diese Gebiete wurden 1884 offiziell Teil der deutschen Kolonien. Erweiterungen der Territorien wurden ab 1885 durch die Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika durchgeführt.
Das von 1884 bis 1915 zu den Kolonien des Deutschen Kaiserreiches gehörende Territorium Deutsch-Südwestafrikas wird somit als eine Siedlungskolonie afrikanischen Typs eingestuft.2 Jene deutsche Siedlungspolitik wurde im Deutschen Kaiserreich von Kolonialvereinen gefördert und propagiert.3
"Die Etablierung deutscher Herrschaft profitierte von Spannungen zwischen den beiden großen ethnischen Gruppen der Herero und Nama,[...]"4. Hinzu kamen zum Zweck der deutschen Herrschaftssicherung, militärische Expeditionen, eine gegen indigene Gruppen diskriminierende Kolonialverwaltung, sowie auch die strategische Nutzung des Ausbruchs der Rinderpest 1897, die 75 % der Rinderherden der Herero ausrottete.5
Diese Vorgeschichte war einschneidend für den Kolonialkrieg des Deutschen Kaiserreiches gegen die Herero (und später auch gegen die Nama), in den Jahren 1904- 1907. Der eskalierende Konflikt und die kriegerischen Entwicklungen, vor allem unter der Führung der deutschen Kolonialtruppen General Lothar von Trothas, sowie die Vertreibung der Herero in die Omaheke- Wüste, werden "[...] von Historikern heute mehrheitlich als Vernichtungskrieg interpretiert [...]."6. Rassismus war in den deutschen, aber auch in anderen europäischen Kolonien, ein Mittel zum Zweck systematisch- rassistische Hierarchieverhältnisse zu legitimieren.7
Neben der Rinderzucht und der deutschen Siedlerschaft von ungefähr 12 000 Menschen, markierte der Diamanten- und Kupferabbau seit 1907 Gewinne für Privatfirmen, während dem Kaiserreich mehr Verluste als Einnahmen zugerechnet wurden.8
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und der Kapitulation der deutschen Kolonialtruppen 1915, wurde die Verwaltung der Kolonie dem südafrikanischen Militär unterstellt. 1919 wurde die ehemalige Kolonie zum Mandatsgebiet des Völkerbundes erklärt und wurde als Südwestafrika von der Südafrikanischen Union verwaltet.
Die heutige Bedeutung 'Deutsch-Südwestafrikas' für die Bundesrepublik Deutschland resultiert aus den Auswirkungen der deutschen Kolonialzeit auf die Gegenwart und den bilateralen Beziehungen der Bundesrepublik mit der Republik Namibia. Einerseits sind diese Beziehungen von Debatten über Reparationszahlungen an den namibischen Staat und an Volksgruppen geprägt, an denen deutsche Kolonialverbrechen ausgeübt wurden. Andererseits sind die Beziehungen durch eine Aufarbeitung der Kolonialzeit und Kolonialverbrechen geprägt, zu denen auch die offizielle Rückgabe von menschlichen Überresten aus Namibia zählt.
Empfehlungen für den gegenwärtigen Sprachgebrauch
Als Begriff wird 'Deutsch-Südwestafrika' zumeist im wissenschaftlichen Kontext verwendet, um den Namen der ehemaligen deutschen Kolonie in einen Diskurs einzubetten. Dennoch zeigt er eine hierarchische Vereinnahmung auf, welchen man im alltäglichen Sprachgebrauch nicht nutzen sollte. Es würde aus einer kolonialen Perspektive gesprochen werden, welcher dem Sprachgebrauch von gegenwärtigen Befürworter_innen der deutschen Kolonialzeit entsprechen würde.9
Verwendete Literatur:
[1] Vgl. Freese, Anne: „Deutsch-Südwestafrika“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019,S. 683.
[2] Vgl. Osterhammel, Jürgen/ Jansen, Jan C.: Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen, München⁷ 2012, S. 19.
[3] Vgl. Woodruff D. Smith: The Ideology of German Colonialism. 1840- 1906, in: The Journal of Modern History. 46 (1974) 4, S. 655.
[4] Conrad, Sebastian: Deutsche Kolonialgeschichte, München⁴ 2019, S. 29.
[5] Vgl. Hollenbach, Michael: Deutsch-Südwestafrika - Deutschlands fast vergessene Kolonialgeschichte 02/2020, veröffentlicht durch deutschlandfunkkultur, URL online unter: deutsch-suedwestafrika-deutschlands-fast-vergessene-100.html? (zuletzt aufgerufen am 15.03.2022).
[6] Conrad, Sebastian: Deutsche Kolonialgeschichte, München⁴ 2019, S. 52.
[7] Vgl. Zeller, Joachim: Das Deutsche Reich: der Nachzügler, in: Thomas Aldrich (Hg.): Ein Platz an der Sonne. Die Geschichte der Kolonialreiche, Stuttgart 2008, S. 238- 253, hier S. 245.
[8] Vgl. Conrad, Sebastian: Deutsche Kolonialgeschichte, München⁴ 2019, S. 29.
[9] Vgl. Freese, Anne: „Deutsch-Südwestafrika“. In: Arndt, Susan (Hg.); Ofuatey-Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl., Münster, 2019,S. 683.
Weiterführende Lektüre:
Brockschmidt, Rolf: Kolonialismus-Propaganda: Deutsch-Südwestafrika als Heimatidylle 07/2019, veröffentlicht durch tagesspiegel.de, URL online unter: https://www.tagesspiegel.de/wissen/kolonialismus-propaganda-deutsch-suedwestafrika-als-heimatidylle/24533658.html.
Klein, Susanne: Ehemalige Kolonie Deutsch-Südwestafrika: Bitte um Vergebung 08/2018, veröffentlicht durch sueddeutsche.de, URL online unter: https://www.sueddeutsche.de/politik/ehemalige-kolonie-deutsch-suedwestafrika-bitte-um-vergebung-1.4109626.