Kussmaul

Aus Geschichte der Behinderung
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Veröffentlichte 1877 in "Die Störungen der Sprache". Nach Kussmaul ist das Stottern eine "spastische Koordinations-Neurose". (Kussmaul 1877, 224) Die Artikulation der einzelnen Laute erfolgt richtig. Stottern tritt auf beim Zusammenfugen der Silben in der Rede. Verantwortlich dafür ist das disharmonische Zusammenwirken der Atmungs-, Phonations- und Artikulationsmuskeln, und zwar hinsichtlich ihrer Kontraktionsstärke und -dauer. Die Ursache für das Stottern ist nach Kussmaul eine "angeborene reizbare Schwäche der syllabären Koordinationsapparaten". Die angeborene Disposition kann durch negative Einflüsse zum Ausbruch kommen, z.B. durch schlechte Erziehung. Stottern kann jedoch auf Nachahmung beruhen. Es tritt häufig auf bei ängstlichen und erregbaren Personen. Das Vorkommen von Stottern ist abhängig von der Situation, in der sich der Stotterer befindet, und seiner Gemütsstimmung. Unter günstigen Bedingungen spricht er flüssig. Stottern kann periodisch auftreten. Frauen sind davon weniger betroffen als Männer.

Stottern tritt vermehrt auf bei anstrengenden Geistesarbeiten und Nachtwachen, bei Rauchen starken Tabaks, bei starkem Alkoholkonsums, nach epileptischen Anfällen, bei hysterischen Anfällen und Depressionen, bei Onanisten und nach akuten Krankheiten, wie z.B. Typhus oder Keuchhusten. In der Zeit während der 2. Dentition und der Pubertät tritt Stottern häufig auf. (Kussmaul 1877, 224)

Kussmaul empfiehlt zur Behandlung gymnastische und didaktische Verfahren. Die gymnastische Kur (Diät, Turnen, Heilgymnastik) soll die allgemeine Konstitution der Person kräftigen, krankhafte Reizzustände beseitigen und insbesondere die Atmungsorgane kräftigen. Durch die didaktischen Verfahren soll die richtige Koordination der Funktionen von Atmung, Phonation und Artikulation eingeübt werden.

Literatur

Kussmaul, A.: Die Störungen der Sprache. Leipzig 1877